Citroën-Europa-Boss Arnaud Ribault
Die Thesen von Citroëns Chef
Arnaud Ribault ist ein bedeutender Mann in der Automobilbranche, ein vielseitiger Macher. Als Europa-Chef von Citroën ist er gerade dabei, die Zukunft eine der größten Marken der Geschichte, prägend mitzugestalten. Der Franzose bringt viel Know-how ein, er ist weit gereist in seiner Karriere.
Nachdem er 1995 seinen Master machte, war er erst sieben Jahre in verschiedenen Führungs-Funktionen in der Schweiz, ehe er als "Importers Director" in die Zentrale in Frankreich zurückkehrte. Danach waren die meisten Aufgaben wieder in der Ferne: General Manager für Schweden von 2006 bis 2008, 2009/2010 General Manager für Russland in Moskau. Ab Oktober 2010 baute er die damals neue Marke DS im so wichtigen Markt in China auf, blieb bis 2014, ehe er das Global Marketing bei DS übernahm, dann im November 2019 nach Rio de Janiero zog, sich um Brasilien kümmerte (mitten in der Pandemie) – und im März 2021 machte ihn Stellantis zum Head of Citroën Europe. In dieser Funktion reist er immer wieder auch nach Österreich, und so traf er sich kürzlich gemeinsam mit Patrick Dinger, dem Chef von Citroën Österreich, und einigen wenigen Medienvertretern – etwa von Motorprofis.at – zum ausgiebigen Frühstück. Gelegenheit, mit einem weitgereisten Auto-Manager über seine Analysen und Visionen zu sprechen – in einer Zeit des Umbruchs und der vielfältigen Herausforderungen für die Branche, und das eben weltweit.
Citroën ist eine Marke mit viel Tradition. Die Auto-Liebhaber mit dem Doppelwinkel fielen über Dekaden immer wieder mit besonders innovativen und kreativen Zugängen auf, sowohl was Komfort als auch Design betrifft. Wir denken an Begriffe wie: Hydropneumatik, 2CV, DS, heute als "Die Göttin" verehrt. Wie aber soll es weitergehen, und was hat der Citroën-Europachef für Erfahrungen gesammelt bei seiner berufsbedingten Weltreise? Fassen wir Ribaults Aussagen zusammen.
Wie sich Citroën positioniert:
"Diese Marke steht in ihrer Geschichte immer wieder für Komfort und für Design. Diese Stärken wollen wir auch in Zukunft mitnehmen. Citroën steht zu einem sehr hohen Maß für das. Denn auch in der Geschichte war Citroën eine Marke, die aus Luxusautos leistbare Autos gemacht hat. Diese DNA ist in uns: Technik wie ein Luxusauto, ohne sich selbst Premiumauto nennen zu wollen. Schauen Sie sich den C5 X an – wie viel Qualität er bietet für seinen Preis. Citroën sollte immer erreichbar bleiben, und doch ein Wohlfühlgefühl bieten."
"Die Flexibilität. Dort ist ein Vertrag ab dem Zeitpunkt nichts mehr wert, wenn das Schriftstück unterschrieben wird. Weil alle Bedingungen, die darin festgeschrieben sind, schon wieder überholt sind, wenn die Tinte noch trocknet. Man muss im Auto-Business in Zeiten der Transformation hin zur E-Mobilität extrem flexibel bleiben."
Was man von den Brasilianern lernen kann:
"Ich war zu kurz in Brasilien, um mir anmaßen zu können, alles über die Menschen zu wissen. Aber eine Geschichte ist mir prägend in Erinnerung. Kurz nach meiner Ankunft begann die Covid-Krise und wir mussten zusperren, wir verkauften keine Autos mehr. Um bleiben zu können, mussten wir die Gehälter aller Mitarbeiter – auch unserer – um 20 Prozent kürzen, ohne, dass irgendwelche Beihilfen das ersetzt hätten. Wir haben eine geheime Abstimmung dazu gemacht – und 95 Prozent waren für diese Lösung. Den Menschen war es einfach wichtig, dass das ganze Business hier bleibt und sie sahen das Ganze, nicht den schwierigen Moment in der Gegenwart alleine. Ich bezweifle, dass an vielen anderen Orten der Welt so viele Mitarbeiter sich so einheitlich zu einer so unangenehmen Entscheidung bekennen. Das ist ein Geschenk, wenn Leute mit Dir gemeinsam durch die Krise durchgehen wollen, auch wenn es hart ist."
Was man von den Russen lernen kann:
"Ich habe erfahren, dass viele Russen sehr gefühlvolle Menschen voller Emotionen sind. Sie sind so, wie man sie in der russischen Literatur findet. Ich bin auch jetzt noch mit Menschen dort in Kontakt und alles, was ich sagen kann: Man muss sich mit den einzelnen Menschen selbst beschäftigen. So gut wie alle von ihnen haben sich ihr Schicksal nicht selbst gewählt – nicht den Kommunismus, nicht den Ausstieg daraus, nicht das, was danach kam. Sie haben eine sehr eigene Art mit Problemen und Katastrophen umzugehen."
Wie die Transformation vom Diesel zu Elektro zu spüren ist:
"Citroën fährt ein hohes Tempo bei der E-Mobilität. Der C4 ist elektrifiziert, der C4 X, der Anfang 2023 am Start steht, wird ausschließlich mit E-Antrieb angeboten. Wir haben gesehen, dass überall der Dieselanteil sinkt, auch in Österreich. Intern haben wir eine klar Vorgabe verfasst: Eines von vier verkauften Autos sollte derzeit rein elektrisch angebtrieben sein."
Welche Gefahren von zu teuren Elektro-Autos ausgehen, selbst für die Demokratie und die Gesellschaft:
"Ohne staatliche Zuschüsse würde eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entstehen: Die einen, die sich ein E-Modell leisten können. Und jene, für die E-Autos zu teuer sind. So etwas muss uns immer bewusst sein, da braucht es auch Verantwortung von Seiten der Politik. Denn die Transformation des Antriebes ist ja etwas, auf das man sich als Gesellschaft geeinigt hat, also muss es auch von den Regierungen begleitet, gesichert und unterstützt werden. Denn Elektro-Mobilität darf nie eine Technik sein, die nur einigen zur Verfügung stehen kann. Und wenn wir nun in Städten wie Paris sehen, wie Autos bestimmter Kategorien immer weniger weit in die Stadt dürfen, weil sie eben eine schlechtere Umwelt-Kategorisierung haben, dann muss man schon auch darüber nachdenken: wer sind denn diese Menschen, die Autos fahren, die älter und damit umweltschädlicher sind? Die, die sich keine neueren leisten können. Man muss solche Dinge als Politiker immer mitberücksichtigen und das Ganze im Auge haben, um dann weitere Schritte als Abfederung zu setzen."
Wie man die neuen Regeln, die in der EU ab 2035 gelten, interpretieren und umsetzen muss:
"0,0 Gramm pro Kilometer CO2-Ausstoß ab 2035: Da haben keine andere Chance, das ist so von der EU bestimmt worden. Das ist auch der Grund, warum die Staaten Förderungen beim Ankauf von E-Autos leisten müssten. Eine Abschaffung dieser Unterstützung ist, wie erwähnt, inakzeptabel – aus den davor erwähnten Gründen. Auch wenn die E-Mobilität selbst diesen Rückschritt wohl inzwischen verkraften würde. Denn wir wissen: Die E-Mobilität lässt sich nicht mehr aufhalten."
Warum das Problem der Schnelllader so dringend und nachhaltig gelöst werden muss:
"Ein sehr wesentlicher Punkt bei der Verbreitung der Elektroautos sind die Schnelllader. Der Strom ist – zumindest bei uns in Frankreich – sechs- bis siebenmal so teuer als an der Wallbox daheim. Das muss sich ändern, denn die Autobahnen spielen eine zentrale Rolle, damit die Menschen der E-Mobilität vertrauen werden. Schnelllader müssen zudem auf der Autobahn alle 150 Kilometer zu finden sein, damit man entspannt mit den Kindern einen Ausflug machen kann. Und das Netz muss insgesamt natürlich noch engmaschiger werden."
Wie man das Problem der Batterie-Entwicklung bei Citroen sieht:
"Wir bekommen unsere Batterien in Zukunft von unseren eigenen Zulieferern, auch aus unseren neuen Fabriken, etwa in der Nähe von Bordeaux. Dazu haben wir ein Joint Venture mit Mercedes. Wir wollen mehr und mehr selber machen – da geht es um Sicherheit, aber auch um Arbeitsplätze."
Wie Citroen jetzt in Zeiten des Umbruchs in die Offensive gehen wird:
"Wir als Konzern errichten drei Batterie-Fabriken in Europa, 80 Prozent der Komponenten eines Fahrzeugs kommen dann aus der EU. Ich denke, am Ende dieses Jahres brauchen wir niemanden mehr erklären, wie wichtig es ist, sichere Zulieferketten zu haben. Darum ist es sowohl für die Gesellschaft als auch für uns in der Industrie wichtig, Fabriken in Europa zu errichten."
"Technisch und bei der Konzeption von Autos wird das Gewicht entscheidend. Ich erinnere mich: Mein erstes Auto hatte nur 850 Kilogramm. Oder denken Sie, wie leicht der BX war. Die Entwicklung muss wieder in diese Richtung gehen, dass die Fahrzeuge wieder leichter werden – ohne das die vielen Errungenschaften, die ein Hauptgrund für die Gewichtszunahme über die Jahrzehnte waren, wieder aus dem Auto verschwinden müssen. Hier wird uns der Fortschritt bei der Technik und bei den Materialien helfen. Das zeigen wir zum Beispiel mit dem hochinteressanten oli-Konzeptfahrzeug."
Wie junge Klassiker wie der Berlingo (nicht) Teil der Zukunft sind:
"Zugegeben, die Umstellung von Diesel auf Elektro war eine harte Entscheidung, doch wir mussten diesen Schritt tun. Denn die CO2-Werte waren beim Berlingo einfach zu hoch. Auch wenn der Berlingo in Österreich beliebt war, weil er sich auch für lange Urlaubsfahrten angeboten hat. Doch diese Entscheidung ist endgültig."
Wie das Tempo-Limit auch zu einem Stadt-Land-Problem geworden ist:
"In Frankreich hat man das Tempolimit auf Landstrassen von 90 auf 80 km/h verringert, es gab viele Proteste. Nun hat man sich entschlossen, dass das Limit generell bleibt, die Gemeinden aber in ihrem Bereich an bestimmten Stellen das 90er-Limit freigeben können. Denn viele Bürger waren der Meinung, man würde ihnen unnötig ihre Zeit stehlen. Und so etwas führt dann rasch auch zu einer Spaltung zwischen den Städten und den Menschen, die am Land wohnen. Dem Pariser, und auch dem Politiker, der in Paris Entscheidungen trifft, betrifft das Tempo-Limit auf irgendeiner Landstraße ja nicht, dem ist es relativ egal. Darum ist es wichtig, bei so Themen immer das Ganze zu sehen, nicht nur seine eigene Perspektive. Aber nun scheint da ein Kompromiss gefunden zu sein."
Welche Lehren er insgesamt aus seiner Auslandsaufenthalten gezogen hat:
"Ich liebe es, unterwegs zu sein. Und das für ein globales Unternehmen zu tun, habe ich immer als großes Privileg empfunden. Ja, ich weiß, durch die Welt fliegen, das ist nicht gut für die Umwelt. Aber es ist gut für den Menschen, immer neue andere Menschen und Kulturen und Länder kennenzulernen."