Sitzprobe: Renault Scenic Vision
Vision in drei Wellen
Mit dem Scenic Vision zeigt Renault mehr als nur ein Concept Car. Was da drin steckt, zeichnet den Weg der Marke für die nächsten Jahre vor. Realisiert soll er in drei Stufen werden: Das Design gibt die Linie des nächsten Serien-Scenic vor, der 2024 anrollt. Das neuartige Bedien-Schema wird ab 2028 in alle Renault-Modelle einfließen. Und der Wasserstoff-Elektro-Hybrid ist das Antriebskonzept für das nächste Jahrzehnt.
19.05.2022Fotos: Werk
Von 1996 bis in die Zukunft – wie geht es mit dem Scenic weiter?
Wo sich gerade scheinbar alles nur noch um SUV, Crossover und Elektro dreht, ist beinahe in Vegessenheit geraten, dass der Scenic auch aktuell noch zum Renault-Programm gehört. Angeboten wird er aber nur noch als Einstiegs-Siebensitzer, die "Normal"-Variante mit kürzerem Radstand wurde hingegen kürzlich ausgemustert. Seit dem Marktstart 1996 ist es Generation Nummer 4, 1997 wurde das damals noch mehr als Monovolums-Minivan ausgelegte Raumwunder mit der Auszeichnung als Auto des Jahres geehrt. 2024 folgt der Relaunch mit neuer Technik – die Aggregate-Ökonomie des batterieelektrisches Antriebs kommt der grundlegenden Platz-Maximierungs-Idee sehr entgegen. Der nächste Scenic wird äußerlich noch weniger Van oder Kombi sein, sondern eher ein Kompakter mit Geräumigkeits-Plus. Wenn er die Größenordnung des Concept Cars beibehält, reiht er sich dann etwa in der Liga eines Hyundai Ionic 5 ein.
Was macht das Design des Scenic Vision aus?
Ein wenig überraschend ist die Abkehr von der typischen Renault-Knubbeligkeit. Die wohligen Rundungen mit leichtem Hang zur Oppulenz sucht man am Scenic Vision umsonst – hier herrscht klare geometrische Ernsthaftigkeit. In der sicht trotzdem eine Art "Happy Face" hat unterbringen lassen, das auch erfolgreich das Martialische im Look abwehrt. Die 21-Zoll Räder sorgen für soliden Auftritt, die LED-Leuchten rundum für spannende grafische Effekte. "Nouvelle Vague" nennt Renault diese Designphilosophie und zieht sich mit dem Bezug auf die ebenso genannte wegweisende französische Filmkunst der 50er Jahre bewusst große Schuhe an – man will für eine ähnlich stilbestimmende Erneuerung in der Mobilität stehen. Der Mix aus aktuellen Hightech-Anleihen, einer Prise Futurismus und klassischer Eleganz ist gefällig und hat das Zeug, sich lange nicht abzunutzen. Nicht in die Serie wird es aber wohl das B-Säulen-lose Konstruktion des Concept Cars schaffen – der weitgehenden Übernahme des Designs für den kommenden Scenic tut das aber keinen Abbruch.
Ausdrucksstärk und eigenständig: Der Scenic Vision zeigt die Designlinie von Renault ab 2024 vor. Statt Rundungen…
gibt es künftig geometrische Ernsthaftigkeit. Beleuchtetes Renault-Logo.
Neue nachhaltige Wege: Karbon aus Verschnitt-Resten im Flugzeugbau.
Der nächste Scenic wird äußerlich noch weniger Van oder Kombi sein, sondern eher ein Kompakter mit Geräumigkeits-Plus.
Die Innenböden sind zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial.
Matrix-LED-Leuchten wird auch der nächste Serien-Scenic bekommen.
Glatte und bündig gestylt, mit scharfer Leuchtengrafik definiert – der Scenic Vision bricht mit den Vorgaben des aktuellen Renault-Designs.
Wie funktioniert das Sicht- und Bedienkonzept der Zukunft?
Womit wir schon mitten in Welle zwei wären. Das Sicht- und Bedienkonzept soll ab 2028 schrittweise zum Alleinstehungsmerkmal künftiger Renault-Modelle werden. Statt eines großen Touchscreens auf dem man sich durch diverse Menüs hanteln muss sind es hier mehrere kleine. Womit die belegt werden, bleibt dem Nutzer überlassen, er kann selbst auswählen über welchen davon er etwa Klima, Radio oder Telefon bedienen möchte. Der Vorteil dabei: Die Ablenkung wird deutlich reduziert, weil der Nutzer die Belegung kennt und "blind" bedienen kann. Über die ganze Breite des Armaturenbretts unterhalb der Frontscheide zieht sich ein Widescreen-Headup-Display. Hier werden fahrelevante Daten, Navigationsanweisungen und Instrumenteninfos angezeigt. Der durch immer massiver werdene A-Säulen schlecht einsehbare Bereich wird beim Abbiegen durch ein dort eingeblendetes Kamerabild ersetzt. Im Stadtverkehr kann das gesamte Front-Display auch auf "Klarsicht" geswitcht werden um den Einblick auf das Verkehrsgeschehen zu optimieren.
Wie treibt Renault den Recycling-Anteil in die Höhe?
Es gibt zwar auch heute schon verpflichtende Recycling-Quoten für alle Automobilhersteller, die Möglichkeiten sind aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Renault zeigt beim Scenic Vision, was möglich ist: Das Fahrzeug besteht zu 75 Prozent aus wiederverwendeten Materialien, die Quote der eigenen Recycle-Fähigkeit liegt bei 90 Prozent. Für die Innenböden wurden etwa Kunststoff-Milchflaschen und Installationsrohre verarbeitet. Karbon-Elemente am und im Scenic Vision werden aus Kohlefaser-Abfall der Airbus-Fertigung hergestellt, für die Pigmente des schwarzen Lacks hat man Schmutzpartikel aus der Luft gefiltert. Eine schlaue Lösung kommt für die Sitze zur Anwendung: Obermaterial, Nähte und Füllstoffe sind verschiedene Produkte auf identischer Basis und können somit später auch als ganzes in den Recycling-Kreislauf zurückgehen – ohne Mehraufwand für weitere Trennung und separate Aufarbeitung. Wieviel davon wann genau zu realisieren ist wird von der Liefersicherheit der Materialien abhängen, die – wie die aktuelle Situation in Sachen Halbleiter und Kabelbäume zeigt – grundlegend ist.
Womit wir schon mitten in Welle zwei wären. Das Sicht- und Bedienkonzept soll ab 2028 schrittweise zum Alleinstehungsmerkmal künftiger Renault-Modelle werden. Statt eines großen Touchscreens auf dem man sich durch diverse Menüs hanteln muss sind es hier mehrere kleine. Womit die belegt werden, bleibt dem Nutzer überlassen, er kann selbst auswählen über welchen davon er etwa Klima, Radio oder Telefon bedienen möchte. Der Vorteil dabei: Die Ablenkung wird deutlich reduziert, weil der Nutzer die Belegung kennt und "blind" bedienen kann. Über die ganze Breite des Armaturenbretts unterhalb der Frontscheide zieht sich ein Widescreen-Headup-Display. Hier werden fahrelevante Daten, Navigationsanweisungen und Instrumenteninfos angezeigt. Der durch immer massiver werdene A-Säulen schlecht einsehbare Bereich wird beim Abbiegen durch ein dort eingeblendetes Kamerabild ersetzt. Im Stadtverkehr kann das gesamte Front-Display auch auf "Klarsicht" geswitcht werden um den Einblick auf das Verkehrsgeschehen zu optimieren.
Wie treibt Renault den Recycling-Anteil in die Höhe?
Es gibt zwar auch heute schon verpflichtende Recycling-Quoten für alle Automobilhersteller, die Möglichkeiten sind aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Renault zeigt beim Scenic Vision, was möglich ist: Das Fahrzeug besteht zu 75 Prozent aus wiederverwendeten Materialien, die Quote der eigenen Recycle-Fähigkeit liegt bei 90 Prozent. Für die Innenböden wurden etwa Kunststoff-Milchflaschen und Installationsrohre verarbeitet. Karbon-Elemente am und im Scenic Vision werden aus Kohlefaser-Abfall der Airbus-Fertigung hergestellt, für die Pigmente des schwarzen Lacks hat man Schmutzpartikel aus der Luft gefiltert. Eine schlaue Lösung kommt für die Sitze zur Anwendung: Obermaterial, Nähte und Füllstoffe sind verschiedene Produkte auf identischer Basis und können somit später auch als ganzes in den Recycling-Kreislauf zurückgehen – ohne Mehraufwand für weitere Trennung und separate Aufarbeitung. Wieviel davon wann genau zu realisieren ist wird von der Liefersicherheit der Materialien abhängen, die – wie die aktuelle Situation in Sachen Halbleiter und Kabelbäume zeigt – grundlegend ist.
Das Bedienkonzept des Scenic Vision verzichtet auf einen großen Touchscreen – die Belegung der Funtionen auf mehrere kleine reduziert die Ablenkung.
Rundum bequem – trotzdem wird es diese Art von Komfortsitzen noch …
… länger nicht in Serie geben. Ihre nachhaltige Fertigungsart aber sehr wohl.
Gegenläufig angeschlagene Türen und der Verzicht auf die B-Säule sind beliebte Concept Car-Anwendungen. In die Serienfertigung kommen sie selten.
Was ist am Antrieb des Scenic Vision neu?
In den einzelnen Komponenten nichts – in ihrem Zusammenspiel ist es aber eine interessante Evolution. Grundsetzlich trifft der Begriff Hybrid zu, allerdings besteht die Dualität hier aus batterieelektrischem Antrieb plus Brennstoffzelle. In der wird Wasserstoff in Strom umgewandelt, der Output von 15 kW ergänzt die Leistungsabgabe des 40 kWh-Akkus, der so auch in der aktuellen Basisvariate des Megane Electric zum Einsatz kommt. Mit der Brennstoffzelle als Range Extender liegt die rechnerische Reichweite bei gut 550 Kilometern – bedeutend mehr als nur mit dem Speicherstrom der Batterie alleine möglich wäre. 2,5 Kilogramm H2 fasst der Wasserstofftank über der Vorderachse, gut für etwa 150 Kilometer Fahrdistanz. Der Vorteil dieser Kombination liegt auch im dadurch ermöglichten Reduzieren der Akkugrößen, womit die sich das Verhältnis zwischen umweltschädlicher Batterie-Herstellung auf der einen und Emissionsvermeidung auf der anderen Seite verbessern lässt. Renault plant den Serieneinsatz dieser Technik ab 2030.
Kommt doch noch die Renaissance des Wasserstoffs?
Die Frage wird nicht auf dem Gebiet der Mobilität entschieden – für sie tut sich die Nutzung sozusagen nur als Nebenerscheinung auf. Die stolpernd voranschreitende Energiewende hadert derzeit mit rein praktischen Problemen: Etwa der mangelnden Speicher- und Transportfähigkeit von elektrischem Strom – wollen wir damit künftig alles betreiben, muss es Reserve-Strategien geben. Und trotz der Verluste bei der Energieumwandlung durch Elektrolyse ist Wasserstoff unverändert hier eine der praktikabelsten Lösungen. Dazu schafft er die Brücke zur Produktion von E-Fuels, also künstlich hergestelltem Sprit, der etwa für den Flugverkehr, Bau- und Ernstemaschinen weiter benötigt wird. Dass der allgemeine Mobilitätssektor ihn dann ebenfalls nutzt und damit die Reichweiten-Frage der batterieelektrischen Fahrzeuge entschärft, wäre sinnvoll und zielführend.
Das Fazit?
Normalerweise geben Concept Cars einen Ausblick auf künftige Design-Optionen außen und Innenraum-Phantasien innen. Die Ansagen des Scenic Vision sind wesentlich konkreter: Das Design wird uns schon in zwei Jahren im Serientrimm wieder begegnen, Sicht- und Bedienkonzept etwas später zumindest schrittweise verwirklicht. Mit ihnen demonstriert Renault auch, dass auf diesem Gebiet noch lange nicht alles zu Ende gedacht ist und der derzeitige Weg immer größerer Kombi-Touchscreens keine Einbahnstraße sein muss. Das Recycling-Thema mit maximalem Material-Kreislauf und damit Ressourcen-Schonung wird in den kommenden Jahren ein Kernthema aller Industrien sein. Die Wasserstoff-Hybrid-Lösung schließlich könnte eines der Angebote sein, das der Akzeptanz des E-Antriebs auf die Sprünge zur Massentauglichkeit hilft.
In den einzelnen Komponenten nichts – in ihrem Zusammenspiel ist es aber eine interessante Evolution. Grundsetzlich trifft der Begriff Hybrid zu, allerdings besteht die Dualität hier aus batterieelektrischem Antrieb plus Brennstoffzelle. In der wird Wasserstoff in Strom umgewandelt, der Output von 15 kW ergänzt die Leistungsabgabe des 40 kWh-Akkus, der so auch in der aktuellen Basisvariate des Megane Electric zum Einsatz kommt. Mit der Brennstoffzelle als Range Extender liegt die rechnerische Reichweite bei gut 550 Kilometern – bedeutend mehr als nur mit dem Speicherstrom der Batterie alleine möglich wäre. 2,5 Kilogramm H2 fasst der Wasserstofftank über der Vorderachse, gut für etwa 150 Kilometer Fahrdistanz. Der Vorteil dieser Kombination liegt auch im dadurch ermöglichten Reduzieren der Akkugrößen, womit die sich das Verhältnis zwischen umweltschädlicher Batterie-Herstellung auf der einen und Emissionsvermeidung auf der anderen Seite verbessern lässt. Renault plant den Serieneinsatz dieser Technik ab 2030.
Kommt doch noch die Renaissance des Wasserstoffs?
Die Frage wird nicht auf dem Gebiet der Mobilität entschieden – für sie tut sich die Nutzung sozusagen nur als Nebenerscheinung auf. Die stolpernd voranschreitende Energiewende hadert derzeit mit rein praktischen Problemen: Etwa der mangelnden Speicher- und Transportfähigkeit von elektrischem Strom – wollen wir damit künftig alles betreiben, muss es Reserve-Strategien geben. Und trotz der Verluste bei der Energieumwandlung durch Elektrolyse ist Wasserstoff unverändert hier eine der praktikabelsten Lösungen. Dazu schafft er die Brücke zur Produktion von E-Fuels, also künstlich hergestelltem Sprit, der etwa für den Flugverkehr, Bau- und Ernstemaschinen weiter benötigt wird. Dass der allgemeine Mobilitätssektor ihn dann ebenfalls nutzt und damit die Reichweiten-Frage der batterieelektrischen Fahrzeuge entschärft, wäre sinnvoll und zielführend.
Das Fazit?
Normalerweise geben Concept Cars einen Ausblick auf künftige Design-Optionen außen und Innenraum-Phantasien innen. Die Ansagen des Scenic Vision sind wesentlich konkreter: Das Design wird uns schon in zwei Jahren im Serientrimm wieder begegnen, Sicht- und Bedienkonzept etwas später zumindest schrittweise verwirklicht. Mit ihnen demonstriert Renault auch, dass auf diesem Gebiet noch lange nicht alles zu Ende gedacht ist und der derzeitige Weg immer größerer Kombi-Touchscreens keine Einbahnstraße sein muss. Das Recycling-Thema mit maximalem Material-Kreislauf und damit Ressourcen-Schonung wird in den kommenden Jahren ein Kernthema aller Industrien sein. Die Wasserstoff-Hybrid-Lösung schließlich könnte eines der Angebote sein, das der Akzeptanz des E-Antriebs auf die Sprünge zur Massentauglichkeit hilft.
Fazit von Motorprofis-Tester Stefan Pabeschitz: „Normalerweise geben Concept Cars einen Ausblick auf künftige Design-Optionen außen und Innenraum-Phantasien innen. Die Ansagen des Scenic Vision sind wesentlich konkreter".