Vorstellung: Alfa Romeo Tonale

Um wen geht es?
Von der Liebe kann man nicht leben, sagt ein blödes deutsches Sprichwort – aber es ist natürlich was dran: Viele lieben Alfa Romeo, fahren aber ein anderes Auto. Damit aus Fans vermehrt Kunden werden, steigt die Marke aus Mailand in ein praktisches und halbwegs preisgünstiges Segment ein, das der Kompakt-SUVs. Kleine Coupés und Roadster, mit denen Alfa Romeo berühmt geworden ist, scheitern allzu oft am Familienrat, es geht daher um „belezza necessaria“ – das Schönmachen von notwendigen Dingen, aber eben auch die Notwendigkeit des Schönen, an die man Kunden erinnern will. Den Druck aus dem Markt spürt Alfa Romeo nicht allein, auch Aston Martin, Rolls-Royce, Lamborghini und Ferrari bauen inzwischen ja SUVs.
SUV-Klassen werden bei Alfa in Relation zu Gipfelhöhen gesetzt: Unterhalb des 4,69 Meter langen und 1,70 Meter hohen Stelvio (nach dem Passo dello Stelvio, 2.757 Meter) positioniert sich nun der 4,53 Meter lange und 1,60 Meter hohe Tonale (Passo del Tonale, 1.883 Meter).
Technisch spiegeln sich wie immer die Familienverhältnisse wieder, die SCCS-Plattform des Tonale kommt noch vom Jeep Compass, also aus der FCA-Ehe. Stellantis-Technik gibt es erst ab 2023, dann in einer technischen Premium-Dreierbeziehung von DS, Alfa und Lancia.
 
Echte Grandezza oder doch auch Pragmatiker – ist das Design ein Treffer?
Naja, eine SUV-Flunder ist der Tonale jetzt nicht, grundsätzlich ist das Konzept natürlich auf Alltagstauglichkeit ausgelegt und kann sich mit Tiguan und Co. messen: Das 500-Liter-Kofferraumvolumen ist ebenso beachtlich wie die gute Bein- und Kopffreiheit in der zweiten Sitzreihe. Die Rücksitzbank hat eine kleine Skidurchreiche und kann im Verhältnis 60:40 umgeklappt werden. Auch mit dem maximalen Kofferraumvolumen von 1.550 Litern hat der Tonale im Familienrat gute Karten.
Um klassische SUV-Grundproportionen mit hohem Aufbau kommt der Tonale bei dieser Alltagstauglichkeit nicht herum. Alfa Romeo kümmert sich aber mit der gewohnten Stilsicherheit um die Ausgestaltung: Der Tonale hat eine gute Körperspannung, das Design wirkt frisch und durchaus dynamisch. Mit den schmalen, dreiteiligen Matrix-LED-Scheinwerfern (eine Kooperation mit Marelli), dem tradionellen Scudetto-Kühlergrill (benannte nach den Wappen der Sportvereine) und den unverwechselbaren Fünfloch-Felgen sind typische Stilmerkmale der Marke enthalten. Subtiler wird es mit Blick auf die fesche Seitenfensterlinie und vor allem den schönen Rücken – denn am Heck trumpft der Tonale mit einer gerundeten Scheibe, einer schicken Spoiler-Kante, dreidimensionalen Heckleuchten und einem durchgehenden LED-Lichtband auf. Vorne hat der Tonale, ähnlich wie Giulia und Stelvio, einen auffällig großen Lufteinlass. Dass die lackierte Karosserie bis in die Frontschürze hineingezogen wird, provoziert Kratzer, schaut aber halt auch gut aus. Gleiches gilt für die schwarzglänzenden Kunststoffe auf den Radhäusern. Im Zweifel für die Schönheit. Immer ein Genuß ist bei Alfa Romeo die Farbpalette, wie zum Beispiel die grüne Dreischichtlackierung auf den Bildern zeigt.

Wie ist der Innenraum gelungen?
Lenkrad, Lüftungsdüsen und Sitzperforierung bringen Alfa Romeo-Flair in das Cockpit. Bei der Materialauswahl mischen sich Premiumelemente, wie die schönen Sitzbezüge und die Ziernähte am Armaturenbrett, mit durchschnittlicheren Passagen, wie der Mittelkonsole oder den Lüftungsdüsen. Der Fahrer hat einen über die Lenkradfernbedienung bedien- und individualisierbaren 12,3-Zoll-Instrumentencluster vor sich, im Zentrum kümmert sich ein freistehender 10,25-Zoll-Touchscreen um getippte Eingaben. Die Software und das Layout sind modern – manche Bereiche aber etwas kleinteilig geraten fürs Fingertippen während der Fahrt. Mit Verkehrsdaten in Echtzeit und Updates „over the air“ ist die Internet-basierte Technik auf neuestem Stand. Durch die Mitwirkung der Amazon-Sprachassistentin Alexa wird die mündliche Steuerung auf ein neues Level gehoben.
 
Mit welcher Technik arbeiten Fahrwerk und Antriebe?
Alfa Romeo verspricht ein sportliches Fahrverhalten und führt entsprechende Technik ins Treffen: Einzelradaufhängung rundum, frequenzselektive Stoßdämpfer (passen sich an die Seitenneigung an), Brembo-Bremsen, elektronisches Sperrdifferenzial für die Vorderachse, direkte Lenkübersetzung, Fahrmodischalter direkt am Volant. Erste Fahrtests werden zeigen, wie sich das Paket in der Praxis auswirkt.
Die Antriebspalette ist überraschend groß: Zwei Hybrid-Varianten mit 1,5-Liter-Benzinmotor und 48-Volt-System liefern wahlweise 130 oder 160 PS. Vorderradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe sind jeweils serienmäßig. Schon die 130-PS-Einstiegsvariante bringt 240 Newtonmeter auf die Kurbelwelle, schafft 200 km/h und erledigt den Sprint auf Hundert unter zehn Sekunden. Der meistens realitätsnahe WLTP-Normverbrauch beträgt 5,7 bis 6,2 Liter. Auch eine Dieselvariante wird es geben, der 130 PS starke 1,6-Liter-Turbodiesel ist ebenfalls fix mit einem Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe kombiniert.
Am meisten sportlicher Spirit steckt aber eindeutig in der Plug-in-Hybrid-Variante, die den Tonale zudem zum Teilzeit-Elektroauto macht: Das PHEV-System des Compass wurde überarbeitet und leistungsgesteigert, der 1,3-Liter-Benzinmotor und die 90-kW-Elektromaschine an der Hinterachse mobilisieren zusammen 275 PS. Elektronischer Allradantrieb und Wandlerautomatik gehören zum Serienumfang. Die auf 15,5 kWh vergrößerte Batteriekapazität ermöglicht eine rein elektrische WLTP-Reichweite von 60 Kilometern. Laden ist mit bis zu 7,4 kW möglich.

Durch eine Tech-Innovation wird der Tonale zur Amazon-Filiale – was steckt dahinter?
Über die Sprachassistentin Amazon Alexa hat der Tonale auch eine technische Vorbereitung für „Secure Delivery Service“ – wenn dieses System anläuft, kann man also auch seinen Tonale künftig für die Zustellung von Paketen nutzen. Laut Plan erhält der Bote einen Zugangscode und legt das Paket in den Kofferraum. Wir sind gespannt, wie das in der Praxis klappt.
 
Kryptisch klingt die Integration des Tonale in die Blockchain – eine gute Idee?
Auf jeden Fall eine gute Idee – und ein lustiges Paradoxon: Während Kryptowährungen oder Kunst-NFTs noch intransparent und mutmaßlich eine geeignete Geldwaschanlage für die großen Gauner dieser Welt sind, scheint die dahinterliegende Blockchain-Technologie dafür geeignet, die kleinen Gaunereien im Gebrauchtwagengeschäft abzustellen: Als erstes Serienauto verfügt der Tonale über einen Non-Fungible Token (NFT – ein fälschungssicheres, digitales Zertifikat). Dort können, basierend auf dem Blockchain-Konzept, wichtige Daten des Fahrzeugs aufgezeichnet werden, wenn der Besitzer das will. Dadurch soll ein nicht fälschbares Dokument entstehen, das zum Beispiel Baujahr, Kilometerstand und die ordnungsgemäße Durchführung des Service dokumentiert – gespeichert in der eigenen Krypto-Wallet. Das könnte klassische Gaunereien unterbinden und den Gebrauchtwagenkauf deutlich angenehmer machen. Fazit: Als fälschungssichere Dokumente haben NFTs eine große Zukunft, auch im Auto, und jetzt schon im Tonale.
 
Zum Verkaufsstart bietet Alfa Romeo den Tonale in einer limitierten „Launch Edition“ an – passt das Preis-Leistungsverhältnis?
Die Edizione Speciale kombiniert den 130-PS-Einstiegsmotor mit Topausstattung, ist ab sofort bestellbar und kostet 39.000 Euro – da sollte man sich also eher beeilen, wenn man zum Zug kommen will. Die Preise für die weiteren Ausstattungs- und Motorvarianten folgen.
Verkaufsstart ist im Juni 2022, im Herbst folgen die Diesel- und Plug-in-Hybrid-Varianten.
 
Das erste Fazit?
Eine schöngeistige Mailänder Marke im familiären und preissensiblen Kompakt-SUV-Segment: Auch ein Alfa Romeo kann nicht zaubern und muss ein hohen Aufbau wählen, wenn er sich ernsthaft mit Tiguan und Co. messen will. Beim Styling zeigt sich der Tonale aber detailgenau und stilsicher. Sein Platzangebot überzeugt in allen Bereichen, die Antriebspalette ist modern und vielseitig. Im Cockpit mischen sich Premium und Mainstream. Das Preis-Leistungsverhältnis ist, soweit bisher bekannt, ziemlich gut. Damit wieder mehr Alfa-Fans zu Alfa-Fahrern werden.