SEAT-INTERVIEW (TEIL 2)
Wie man CO2 sofort reduzieren könnte
Wurm: Weil es sofort eine CO2-Reduktion bringt. Wir haben ja nicht die Zeit, wir müssen sofort mit dem CO2 runterkommen, und mit Erdgas könnten wir das machen.
Warum wäre das mit Erdgas möglich?
Wurm: Erdgas ist derzeit die einzige Möglichkeit, mit der man CO2-neutrale Mobilität umsetzten könnte – und die Ressourcen und Kompetenzen dazu sogar in Österreich hätte. Daher tut es mit weh, dass dieses Thema von Seiten der Regierung so wenig betrachtet wird.
Was müssten wir in Österreich konkret machen?
Wurm: In Barcelona zum Beispiel entnimmt die Stadtverwaltung aus Abfällen auf der lokalen Mülldeponie Methan und fährt damit. Auch die Schweizer haben einen Biogasanteil von 30 Prozent.
Ich würde vorschlagen, die CNG-Autos (CNG = Compressed Natural Gas, Anm. der Redaktion) in Österreich nur mit Biogas zu betanken, das heißt vollkommen CO2-neutral zu fahren. Diese umweltfreundliche Mobilität müsste man dann aber auch durch eine Förderung wie bei den Elektroautos voranbringen.
Der Industrie alleine kann der Durchbruch nicht gelingen. Durch Förderung gebe ich Technologie vor – da müsste der Staat etwas offener sein und sagen, mir ist egal was ihr macht, ihr müsst mit dem CO2 runter. Wenn der Weg im ersten Schritt mit Biogas, Erdgas, Elektrogas oder alternativen Brennstoffen leichter geht – warum tut man es dann nicht?
In Österreich sagt man technologisch oft entweder – oder, aber das gibt es nicht. Wir sollten mehr Mischwald machen.
Was meinen Sie?
Wurm: Früher haben wir in Österreich Fichtenwald gemacht, weil der schnell wächst. Aber jetzt frisst der Borkenkäfer alles weg. Bei einer Mischkultur passiert das nicht. Was beim Wald wichtig ist, ist vielleicht auch beim Technologieangebot richtig – dass man nicht nur eine Möglichkeit, sondern einen Mischwald hat.
Das versuchen wir mit Seat gerade, darum haben wir Erdgasantrieb, setzen – wo es Sinn macht – weiter auf Benziner und Diesel, haben Elektroantrieb und Plug-in-Hybrid.
Die Elektro-Offensive von Seat startet im nächsten Jahr…
Wurm: Das ist kein Zufall. Ab dem nächsten Jahr müssen Hersteller für Autos mit höherem CO2-Ausstoß Strafsteuern zahlen. Daher kommen jetzt so viele E-Autos.
Was plant Seat konkret?
Wurm: Wir starten im Jänner mit dem Mii electric, bei dem wir über den Tellerrand schauen und ein Mobilitätskonzept verkaufen. Dieses Elektroauto ist preisgünstig und ideal für den großstädtischen Bereich, aber wenn Sie von Wien nach Salzburg müssen, sind Sie in der Bahn besser aufgehoben. Wir geben dem Kunden daher eine ÖBB-Bahncard im Wert von 1.900 Euro zum Auto dazu. Für Unternehmer wiederum haben wir einen besonderen Bonus und können den Mii electriv nach Abzug aller Förderungen und Boni für 12.500 Euro netto anbieten!
Auch weitere 2020-Neuheiten werden elektrisch oder teilelektrisch fahren…
Wurm: Wir bringen Plug-in-Hybrid mit rund 50 Kilometer elektrischer Reichweite für den Leon und das erste eigenständige Cupra-Modell Formentor. Zum Jahresende kommt der vollelektrische Seat el-born mit bis zu 570 Kilometer Reichweite.
Können Sie schon einen Startpreis für das Elektroauto el-born nennen?
Wurm: Unter 30.000 Euro.
Wie hoch wird der Hybrid- und Elektroanteil bei Seat künftig sein?
Wurm: Wir müssen schnell auf 25 Prozent kommen, sonst werden wir die CO2-Ziele nicht erreichen.
Wie wirken sich die strengen neuen CO2-Vorgaben der EU auf eine Marke wie Seat aus?
Wurm: Kleinere Autos haben einen riesigen Nachteil: Auch wenn Sie auf nur 110 Gramm CO2-Ausstoß kommen, also eigentlich sehr sparsam sind, werden sie künftig trotzdem mit einer Strafsteuer für den Hersteller belegt. Weil die Erträge bei kleinen Autos aber gering sind, rechnet sich das für den Hersteller dann nicht mehr. Wir haben also die Gefahr, dass kleine, leichte Autos durch die Strafen schwer unter Druck kommen. Man kann von einer Firma nicht verlangen, etwas weiter zu produzieren, wenn durch den Verkauf ein Verlust entsteht.
Sie könnten auch in Kleinwagen wie dem Ibiza auf Plug-in-Hybrid umsteigen…
Wurm: Natürlich, aber dann wird das Auto schon so teuer, dass der Preis ähnlich wie bei einem Leon ist. Und wenn der Abstand klein ist oder gar nicht vorhanden, dann wird der Kunde das andere Modell nehmen, dann wir das kleinere Modell vom Markt nicht angenommen. Das ist ganz einfach.
Durch die Elektrifizierung ist die Autobranche im Umbruch. Vor welchen Herausforderungen stehe Sie dadurch?
Wurm: Die Margen kommen durch Elektroautos unter Druck. Bei dieser Technologie verfügen wir aktuell nicht über die Erträge, die wir brauchen, um weiter Innovationsmotor der europäischen Industrie sein zu können. Europäer können hervorragende Diesel- und Benzin-Motoren bauen, und das ist auch schwer zu kopieren, wie man gesehen hat, aber einen Elektromotor kann jeder bauen, nicht nur die Europäer.
Da muss man auch sagen, wofür wir stehen. Wir könnten, wie erwähnt, CNG (CNG = Compressed Natural Gas, Anm. der Redaktion) kultivieren und damit fahren, oder auf alternative Bio-Treibstoffe setzten. Da gäbe es viele Möglichkeiten und da sind wir Europäer auch ein Stück weit innovativer als andere Regionen. Billiges produzieren können wir nicht, das haben wir noch nie zusammengebracht.
Schließlich geht es allein bei Volkswagen um 600.000 Beschäftigte und ihre Angehörigen, wenn man die Mitarbeiter der Zulieferer und ihre Familien dazurechnet, noch um viel mehr.
Manche haben den Eindruck, der VW-Konzern setzt zu stark auf das Elektroauto…
Wurm: Wen man ein so großer Hersteller ist und diesen Supertanker in eine Kurven zwingen muss, dann muss man das auch pointiert darstellen. Denn man muss schauen, dass der Tanker überhaupt eine Kurvenneigung einnimmt.
Aber natürlich macht Audi zum Beispiel Wasserstoff. Seat wiederum macht sehr viel für CNG (CNG = Compressed Natural Gas, Anm. der Redaktion), arbeitet mit den elektrischen Rollern an der Micromobilität, denkt über logische Verknüpfung mit dem öffentlichen Verkehr nach.
Ich glaube schon, dass man in Wolfsburg weise genug ist und sagt: Der Mischwald hat keine Borkenkäfer.
Teil 1 des Seat-Interviews lesen Sie hier: Markenchef Wolfgang Wurm erklärt Markenchef Wolfgang Wurm, warum der einstige Sanierungsfall jetzt durchstartet, wofür man in Barcelona mehr Bewusstsein hat als in Wolfsburg, warum man bei der neu gegründeten Marke Cupra Lederjacken trägt und wer Seat womöglich gerettet hat.