GILLES VILLENEUVE
Villeneuves "Mamma" über Gilles
in der Formel 1 verbindet man diesen Tag aber auch mit einer ganz großen Tragödie:
Denn am 8. Mai 1982 ereignete sich in Zolder in Belgien ein Todessturz mit Ansage:
Gilles Villeneuve, 32 Jahre jung, gefeiert und gefürchtet als der tollkühnste aller Fahrer, fuhr im Qualifying mit seinem Ferrari auf den langsam fahrenden March des Deutschen Jochen Mass auf.
Mass hatte die Ideallinie nach rechts verlassen, um Villeneuve vorbei zu lassen. Villeneuve hatte die Ideallinie nach rechts verlassen, um Mass zu überholen.
Ein tödliches Mißverständnis. Der Ferrari fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf, hob ab und Villeneuve starb in den Trümmern des Wracks, das in Teile zerfetzt danch zum Stillstand kam.
Heute weiß man: Man hätte diesen Unfall verhindern können.
Nicht die beiden Piloten, sondern Villeneuves Team in den Minuten davor. Denn Gilles, sowieso verrückt (und liebenswert), war an diesem Tag voller Hass.
Beim Rennen davor, dem Ferrari-Heim-Grand-Prix in Imola, hatte Didier Pironi ihn besiegt. Entgegen allen Abmachungen, sagte Villeneuve. Die beiden waren Teamkollegen und trotzdem beste Freunde. Mit einem Mal und wegen eines Abstands von 0,366 Sekunden wurde diese Freundschaft zerstört.
Villeneuve fühlte sich verraten und er war voller Hass. Er redete nicht mehr mit Pironi und er wollte in Zolder um jeden, um absolut jeden Preis, die Pole Position – vor dem Franzosen. Es endete in einer Katastrophe.
Generationen von Formel-1-Fans in aller Welt sind von diesem Drama berührt.
Eine Frau aber trifft es bis zum heutigen Tag ein bisschen mehr: Brenda Vernor.
Die seit den 1960er-Jahren in Italien lebende Engländerin war Enzo Ferraris Privat-Sekretärin. Für Piloten wie Pironi und Villeneuve, die viel Zeit in Maranello verbrachten, war sie so etwas wie eine Ersatz-Mutter. Sie kümmerte sich um sie, wusch ihre Wäsche, kannte alle Geheimnisse.
Sie war es, die von Villeneuve und Pironi, den übermütigen besten Freunden, manchmal nachts aus dem Bett geklingelt wurde, aus Spaß. Wenn der Commendatore wieder einmal tobte und die Fahrer schnell sehen wollte, war sie es, die als einzige wußte, bei welchen Mädchen in Mailand sie waren und wo man sie diskret warnen und herholen konnte.
Brenda Vernor lebt in Maranello, wir haben sie im Vorjahr zu einem langen Gespräch getroffen – für eine Geschichte in der Autorevue.
Oft und lange hat sie dabei über die beiden Jungs gesprochen, die in enger Freundschaft lebten und in erbitterter Feindschaft getrennt wurden.
Sie erinnert sich:
„Gilles hat nach Imola kein Wort mehr mit Didier gesprochen. Und wenn Didier an der Strecke in die Nähe von Gilles' Auto kam, dann haben die Mechaniker gesagt: 'Geh da weg!' Das war schlimm, denn all das war auf den Fehler von jemand anderem zurückzuführen." Auf wen? „Rennleiter Forghieri war damals nicht in Imola und jemandem in der Box ist ein Fehler passiert.“
Gilles aber verachtete Pironi 20 Tage lang dafür, und beim nächsten Qualifying in Zolder war er langsamer als sein neuer Feind, sein alter Freund: „Und das hat ihn so wütend gemacht, dass er noch einmal auf die Strecke ging, um ihn zu schlagen. Wir hätten ihn in diesem Zustand nicht auf die Strecke lassen sollen. Er war zu nervös, zu zornig." Gilles stürzte in den Tod.
Villeneuve war auch für Enzo Ferrari wie ein Sohn, sein ewiger Lieblingsfahrer. Das verrückte Kind, das immer alles kaputt machte: „Einmal war Gilles zu einem Dinner geladen und er hat mich mitgenommen. Ich habe mir meine Seele aus dem Leben geschrien, so wie er gefahren ist. Wäre ein einziges Auto entgegengekommen, ich säße heute nicht hier.“ Jody Scheckter, der sich privat bestens mit Villeneuve verstand, stand einmal vor ihr, kreidebleich, nach einem gemeinsamen Hubschrauberflug: „Brenda, treib mir einen Zug auf oder ein Flugzeug – Hauptsache, ich muss nicht mehr mit ihm zurückfliegen.“
Villeneuve wurde zum Mythos, ebenso seine Todes-Nummer 27.
Auch für all das was er zu Lebzeiten geleistet hatte: er fuhr Runden auf der Felge zu Ende, und er lieferte sich 1979 in Dijon den vielleicht besten Zweikampf der Formel-1-Geschichte. Sein Gegner: Rene Arnoux. Bis heute gilt dieses Duell als die Mutter aller Formel-1-Schlachten, so hart und so leidenschaftlich bekämpften sich die beiden. Dabei waren auch sie abseits der Rennstrecke enge Freunde, die viel gemeinsam unternahmen.
Dieser Freundschaft hielt aber bis zum Tod, heute vor 38 Jahren.
Den WM-Titel, den Gilles trotz seines Talentes nie gewann, erobert 1997 sein Sohn Jacques.
Und Pironi? Sein Leben endete mit weiteren Tragödien: Im Sommer 1982 verunglückte er am Weg zum WM-Titel in Hockenheim schwer, seine Beine wurde nie mehr richtig gesund. Und 1988 stürzte er selbst bei einem Motorbootrennen in den Tod.
Erst nach dem Tod kam eine Art von Happy End, das einem berührt:
Pironis damals schwangere Frau bekam Zwillinge. Sie nannte sie Gilles und Didier. Als Zeichen der Versöhnung.
Und Brenda liest manchmal auf einen Brief, den ihr Gilles in seinem Todesjahr geschrieben hat.
Statt wie sonst üblich "Brenda, take care of Ferrari" schrieb er am Ende: "Ferrari, take care of Brenda!"
Geboren am: 18. Jänner 1950 in Saint-Jean-sur-Richelieu, Kanada
Gestorben am: 8. Mai 1982 in Löwen, Belgien.
Formel-1-Rennen: 67
Siege: 6
Teams: McLaren, Ferrari
Sohn: Jacques Villeneuve