TEST: RENAULT MEGANE R.S. TROPHY
Die hohe Kunst der inneren Mobilität
Renault Sport klingt seit langem wie ein Wort. Warum hat der Sport bei den Franzosen eine so große Bedeutung?
Renault hat grundsätzlich eine Vielseitigkeit, die andere nicht haben, dazu gehört auch der Sport. Die Franzosen haben als erste Marke im großen Stil auf die Elektromobilität gesetzt, die Sparefroh-Dacias zum Bestseller gemacht und mit der neuen Alpine den vielleicht besten Sportwagen des Jahrzehnts gebaut. Aktuell vollziehen sie mit Clio und Captur übrigens ein massives Qualitäts-Upgrade. Es bleibt definitiv spannend bei Renault.
Wenn man der Spur von Renault Sport im Speziellen nachgeht, landet man am Rand von Paris, wo sich eine eigene Ingenieurstruppe sowohl um den Rennsport als auch um die sportlichen Straßenautos kümmert. Synergien auf personeller, technischer und weltanschaulicher Ebene sind vorhanden.
Das Sportangebot des Renault Megane bedient mit einer erstaunlichen Dichte verschiedene Geschmacksnuancen. Welche Varianten gibt es?
R.S. 280, R.S. 280 Cup, R.S. 300 Trophy und R.S. 300 Trophy-R. Unter der Haube ist immer der gleiche 1,8-Liter-Turbomotor mit 280 bis 300 PS, man wählt zwischen Schaltgetriebe oder Doppelkupplungsgetriebe mit Schaltwippen am Lenkrad, serienmäßig ist eine Allradlenkung (nur der Trophy-R hat weder 4Control noch Automatik-Option). Während die ersten drei Varianten linear aufsteigend immer sportlicher werden und um die 40.000 Euro kosten, macht die vierte Stufe einen radikalen Sprung in den Rennsport liegt je nach Ausführung 20.000 bis 40.000 Euro höher.
Gegenüber dem R.S. 280 hat er 20 PS mehr und 17 Kilo weniger. Die Turbine des Turboladers ist nun auf einem Keramik-Kugellager montiert, um die Ansprechzeiten zu verringern, wenn Sie ein gut klingendes Detail aus dem Motorraum wissen wollen. Das Gewicht reduzieren leichtere 19-Zoll-Felgen, leichtere Brembo-Bremsen und eine leichtere Batterie. Die Federn, Dämpfer und Stabis wurden überarbeitet, wodurch das Fahrwerk noch steifer geworden ist. Fix eingebaut ist das sonst optionale Front-Differenzial. Zusätzliche Soundeffekte bringt die neue Auspuffanlage mit automatischem Klappensystem ein. Den Kontakt zur Straße stellen mit den Bridgestone Potenza S001 vier ausgewiesene Spezialisten her. Im Testwagen wurden noch zwei Hackerl an genau richtiger Stelle gemacht: bei den Recaro-Schalensitzen mit Alcantara-Polsterung, die die Sitzposition um 20 Millimeter absenken, und beim bassstarken Bose-Soundsystem.
Wir mögen den subtil sportlichen Auftritt, der eine gewisse Legitimität für den familiären Einsatz herstellt. Man kann die Kinder zur Schule bringen, ohne dass sie hinterher gehänselt werden. Es gibt ernsthafte Maßnahmen wie ausgestellte Radhäuser oder große Lufteinlässe, aber keine sichtbaren Übertreibungen (außer vielleicht die roten Streifen in den Felgen). Ist auch nicht nötig, der normale Megane ist ja schon einer der flottesten Kompakten. Die Farbe des Testwagens muss man sich natürlich trauen, aber sie setzt speziell im grauen Winter einen fröhlichen Glanzpunkt. Dass es nur noch die fünftürige Karosserie gibt, bedauern Puristen natürlich, andererseits ist sie ziemlich praktisch.
Für Optik und Nutzwert ist also grünes Licht vom Familienrat zu erwarten, bei der technischen Abnahmefahrt mit den Angehörigen sollte man aber vielleicht eher auf den Straßen erster Ordnung bleiben. Denn das Fahrwerk ist – wirklich hart. Es gehört zu den Besonderheiten von Renault Sport, dass man sich diesen wunderbaren Purismus in der Trophy-Version uneingeschränkt leistet. Als Mitfahrer kann man da schon mal zum Wackeldackel werden. Wobei, hat Österreich nicht eines der am besten gepflegten Straßennetzte der Welt? Eben. Über die aktuell sanierungsbedürftigen Abschnitte weiß man im R.S. Trophy jedenfalls gut Bescheid.
Die Allradlenkung – eine Technik, die eine Renaissance erlebt und auch bei Porsche und Lamborghini zum Einsatz kommt – verkleinert den Radstand in langsamen Kurven virtuell, indem es die hinteren Räder leicht gegenläufig einschlägt. Dass sich im Zusammenspiel mit der ziemlich direkten Lenkung ein so hoher Unterhaltungswert ergibt, liegt aber nicht nur an der 4Control, sondern auch an den Sportpneus und der insgesamt ausgefuchsten Abstimmung: Selten haben Ingenieure soviel Beweglichkeit in ein Kompaktklasse-Auto gebracht. Der Megane R.S. Trophy beherrscht die hohe Kunst der inneren Mobilität – beim plötzlichen Gaswegnehmen in der Kurve kommt das Heck mitunter, dass es eine Freud ist. Oder auch nicht, wenn man mal überrascht wird. Aber darum geht es doch eigentlich in einem Sportauto, oder? Um das Fahrgefühl. Sonst könnte man ja auch Quartett oder Playstation spielen.
Wenn der Motor das Auto bei rund 3000 Touren mit spektakulärer Kraft aus der Kurve ziehen will, sorgen Sportreifen und Differenzial für erstaunliche Traktion. Wenn man es sportlich wissen will, muss man sich an das Spiel der Kräfte – das Ziehen vorne, die Schwenks hinten – eine gewisse Zeit gewöhnen, aber dann ist es höchst unterhaltsames Fronttriebler-Fahren. In diesen heißen Phasen auch begleitet von frech-fröhlichen Pop-Pop-Bäng-Soundeffekten.
Tadeln muss man nur das Getriebe, es könnte definitiv knackiger sein. Wir würden letztlich trotzdem den Handschalter nehmen, die Arbeit macht in jedem Fall Spaß. Und in Sachen Sitzposition ist der Megane R.S. Trophy perfekt, die wunderbaren Recaro-Schalen, der Schalknauf und das Alcantara-Lenkrad liegen in idealem Abständen zueinander.
Der Clou an diesem Auto ist, dass es sich erst um den vorletzten Schritt auf der Leiter handelt. Welcher kommt noch?
Wie eingangs beschrieben rangiert über dem Megane R.S. Trophy noch der Megane R.S. Trophy-R, der mit radikalem Leichtbau (neue Hinterachse, keine Rückbank, dünnere Scheiben, Felgen und Motorhaube aus Carbon, Keramikbremsen…) weitere 130 Kilo abspeckt und voll mit Rennsportteilen ist (Stoßdämpfer mit einstellbarer Zug- und Druckstufe, Titan-Auspuffanlage, Schalensitze aus Verbundmaterial…). Das Ergebnis: Neuer Rundenrekord für Serienfahrzeuge mit Frontantrieb auf der 20,6 Kilometer langen Nordschleife des Nürburgrings. 7 Minuten, 40 Sekunden und 10 Hunderstel.
Wie lautet das Motorprofis-Fazit zum Megane R.S. Trophy?
Das Auto hat einen besonders hohen Unterhaltungswert, weil es die Kunst der inneren Mobilität beherrscht: Selten haben Ingenieure soviel Beweglichkeit in ein Kompaktklasse-Auto gebracht. Eine ausgefuchste Abstimmung, an die sich Sportfahrer ein bisschen herantasten müssen, dann aber belohnt werden. Das wirklich harte Fahrwerk ist etwas für Puristen, der normale Megane R.S. ist da aber umgänglicher. Cooler Auftritt ohne sichtbare Übertreibungen. Für das Gebotene preislich sehr attraktiv. Schön, dass es solche Autos gibt.