ERSTER TEST: PEUGEOT 208 / E-208
Der Kleine mit dem großen Auftritt
Die etwas Älteren zumindest tun das. Der Peugeot 205 sorgte ab 1983 mit seinem jugendlich-frischen Design für Aufsehen und erlangte ab 1985 Kultstatus, als seine GTI-Version sogar den Golf GTI hinter sich ließ. Dass der 205 ein cooles Auto ist, wusste damals jedes Kind (auch der Autor, damals gerade Zehn geworden).
Und jetzt, 35 Jahre nach der Premiere des 205, kommt wieder ein kleiner Peugeot um die Ecke, der die Konkurrenz – auf optischer wie technischer Ebene – ins Schwitzen bringt.
Die Stunde der Wahrheit für das vielbesprochene Design: Wie lässig wirkt der Look auf der Straße?
Was sich im Studio angedeutet hat, bestätigt sich auf der Straße endgültig: So sexy hat man einen Kleinwagen selten gesehen. Mit seinem lässigen Look hat der Kleine einen großen Auftritt und verdreht immer wieder die Köpfe der Passanten.
Das Geheimnis des optischen Erfolges? Peugeot-Designchef Gilles Vidal geht wieder zurück zum Ursprung. Statt die Element in der zuletzt beliebten Keilform aufzulösen, hat der 208 eine richtige Motorhaube und einen optisch abgetrennten Passierraum. Die Proportionen zueinander sind bis ins Detail stimmig. Der Blechkanten sind wohldosiert. Wesentliche Elemente wie die Radhausverkleidungen, die Form der Seitenfenster und das Kunststoffband am Heck erinnern an den 205, ohne in Retrodesign zu verfallen. Vom nicht minder spektakulären 508 kommt die Lichtsignatur, quasi eine Kombination aus riesigem Tigerzahn und drei Löwenkrallen.
Sicher ist: Die Designer um Gilles Vidal sind derzeit absolute Schlüsselspieler bei Peugeot.
Zumal ja auch das Innendesign spektakulär ist…
Ein Thema, bei dem sich viele Konkurrenten, auch deutscher Herkunft, an der Nase nehmen müssen. Peugeot zeigt im 208, dass ein Innenraum auch in der kleinen Klasse spektakulär sein kann. Damit ist weniger das i-Cockpit gemeint, bei dem die Armaturen oberhalb des besonders handlich-kleinen Lenkrads liegen – dieses Layout ist inzwischen ja bekannt.
Entscheidend ist vielmehr die Ausführung mit Stilmitteln, die man eher der Oberklasse zuordnen würde: Große Dekorelemente im Karbonlook statt schmaler Zierleisten. Farbige Ziernähte im Armaturenbrett, in den Türverkleidungen, auf den Sitzwangen. Farbige Ambiente-Leuchtstreifen entlang der Türen und des Armaturenbretts.
Und als Highlights:
Erstens digitale 3D-Armaturen, bei denen die Informationen wie bei einem Hologramm auf verschiedenen Ebenen liegen, wichtige Bereiche, zum Beispiel Navi-Pfeile, also wechselseitig in den Vordergrund treten können. Eine technische Weltpremiere, quer durch alle Klassen.
Zweitens ein zehn Zoll (= 25,4 Zentimeter Durchmesser) großer Touchscreen in der Mitte mit Klaviertasten zum Anwählen der zentralen Themen darunter. Optisch und bedientechnisch ein sehr wesentliches, und in dieser modernen Form nicht klassenübliches, Element im Cockpit.
Wie ist das Platzangebot einzuschätzen?
Der Raum stand grundsätzlich nicht im Focus, sondern ein schöner Körper. Trotzdem: bei unserem Test war eine 1,90-Meter-Versuchsperson dabei, die als Fahrer wunderbar zurecht kam. Im Fond war genug Kopffreiheit für die Übergröße, während es in Sachen Beinfreiheit naturgemäß ziemlich eng wurde. Der Kofferraum liegt gut im Klassenschnitt, zu Überwinden ist eine Ladekante beim Einladen und eine weitere nach dem Umlegen der geteilt klappbaren Fondlehnen. Das bringt Punkteabzüge beim Test von „Auto, Motor und Sport“, aber in der Praxis ist es bei dieser Fahrzeuggröße eigentlich nicht (sehr) relevant.
Großartig und alles andere als selbstverständlich: Die neue Elektroversion hat exakt den gleich großen Innenraum wie die herkömmlichen Motorvarianten. Peugeot hat die Batterien kreuzförmig unter den Sitzen platziert und damit Einbußen verhindert.
Peugeot setzt eine völlig neu entwickelte Plattform ein, die Techniker des Hauses betonen speziell ihre besonderen Bemühungen im Bereich Vorderachse. Unser erster Fahreindruck: Erstaunlich solide und erwachsen. Der 4,05 Meter lange 208 liegt ähnlich satt wie die zwanzig, dreißig Zentimeter größeren Kompaktklasse-Autos. Auffallend sind zudem die niedrigen Innengeräusche – sehr angenehm. Die Abstimmung hat eine sportliche Tendenz, aber ohne spezielle Härten oder Nervositäten: Der 208 will nicht unbedingt Kurvenräuber sein, sondern ein ausgewogener, hochwertiger Kleinwagen. Dass es trotzdem recht flott und fröhlich durch Kurven geht, liegt vor allem am erstaunlich niedrigen Gewicht (ab 1055 Kilo!).
Fahrdynamisch eine gewisse Ausnahme bildet das Elektromodell, es ist einerseits schwerer (ab 1455 Kilo), andererseits senken die Batterien den Schwerpunkt entscheidend – wodurch man zackig um die Ecken biegt wie sonst nur in einem brettlharten Sportmodell, hier aber ohne wesentlichen Komfortverlust. Der e-208 als eine Art neuer GTI, so ändern sich die Zeiten.
Wie gut ist der 208 bei den Assistenzsystemen?
Top für die kleine Klasse. Er beherrscht autonomes Fahren nach Level 2, was übersetzt bedeutet: teilautonom. Der automatische Geschwindigkeitsregler (wird in Verbindung mit dem Achtgang-Wandler-Automatikgetriebe angeboten) passt den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug an, und zwar bis zum kompletten Stillstand. Hält das Fahrzeug weniger als drei Sekunden an, startet es auch automatisch wieder. Zudem hält der sogenannte Spurpositionierungsassistent das Fahrzeug durch Mitlenken in der Fahrspur. Wie bei allen Assistenten braucht man Gewöhnungszeit, zieht dann aber Vorteile.
Welche Antriebsvarianten gibt es?
Benzin, Diesel und Elektro stehen erstmals nebeneinander in der Preisliste. Diese Wahlfreiheit gibt es derzeit bei keinem der direkten Konkurrenten.
Schon aus Kostengründen wird sich die Mehrheit für einen Benziner entscheiden. Welcher ist die beste Wahl?
Wir würden den 1,2 PureTech mit 101 PS und Achtgang-Automatik nehmen. Richtig gelesen, Peugeot spielt der Konkurrenz beim Getriebe einen weiteren technischen Streich und bringt erstmals in dieser Klasse ein Wandler-Automatikgetriebe mit acht Gängen. Das Zusammenspiel mit dem kleinen Turbomotor funktioniert gut – alles verläuft entspannt, aber man hat stets genug Power, und kann in der Praxis mit Sechs-Liter-Verbrauchswerten rechnen. Erstaunlich: Dass man einen Dreizylinder fährt, kriegt man akustisch nicht mehr mit.
Die 130-PS-Variante, basierend auf dem gleichen Aggregat, ist da eigentlich nur Draufgabe. Die 75-PS-Variante, sie kommt ohne Turbo aus, ist wiederum etwas schwach auf Landstraßen, für reine Stadtfahrer oder grundsätzlich defensive Fahrer würde sie sogar genügen.
Den Diesel auch probiert?
Ja, haben wir. Peugeot setzt weiter auf den Diesel, warum auch nicht, er ist durch neueste Technologien sauber und erfüllt die höchsten Abgasnormen. Vielfahrer und speziell Flottenbetreiber schätzen den immer noch geringeren Verbrauch – niedrige Fünfer-Werte sind in der Praxis zu erwarten, das wäre rund eineinhalb Liter unter dem Benziner. Angeboten wird nur eine Variante, mit 102 PS und Sechsgang-Schaltgetriebe. Sie bringt absolut soliden Vortrieb, aber ohne große sportliche Ambitionen. Der Motorklang ist im Alltag angenehm zurückhaltend (da ist Peugeot traditionell sehr gut), er wird erst beim – eher selten vorkommenden – Ausdrehen prägnanter.
Wie das (weiter oben beschriebene) Lenkverhalten ist auch der Vortrieb beim e-208 ziemlich sportlich. Das direkte Ansprechverhalten und die Leistung, die sich nach mehr als 136 PS anfühlt, haben in der Stadt und auf Landstraßen durchaus GTI-Qualitäten, nur eben ohne Motorgeräusche. Wie alle guten E-Antriebe ist auch dieser also ein Fahrerlebnis.
Kann der e-208 bei Reichweite und Ladezeiten mit der Konkurrenz mithalten?
Der e-208 dürfte mit den kommenden VW-Angeboten auf Augenhöhe sein. Renault weist für den überarbeiteten Zoe eine erstaunlich hohe Reichweite aus, da muss man die Praxiserfahrungen abwarten.
Der e-208 jedenfalls hat eine Batterie mit 50 kWh Kapazität und offiziell 340 Kilometer Reichweite, was in der Praxis wohl 300 bei gemischter Fahrweise und 350 in der Stadt bedeutet. Das heißt für die meisten Menschen: nur einmal die Woche laden. Ladezeiten: Fünf Stunden bei dreiphasigem Laden an der Wallbox zuhause oder an der öffentlichen Ladestation (mit 11 kW, 22 kW). 16 Stunden an der verstärken Steckdose zuhause. Nur 30 Minuten für 80 Prozent, wenn man einen öffentlichen Supercharger findet, denn der 208 kann (im Gegensatz zu den meisten Ladesäulen) mit 100 kW laden. Garantie auf die Batterie übrigens acht Jahre oder 160.000 Kilometer.
„Like“ ist als reine Basisversion eher was für Flottenbetreiber. Aber die zweite Stufe „Active“, die wir bei den Tests probieren konnten, reicht grundsätzlich: Alles Notwendige drinnen und das Ambiente passt auch schon. Persönlich sagen wir trotzdem: Unbedingt die sportliche GT Line (bzw. beim e-208 auch GT) nehmen, dann bekommt man die schwarzen Radhausverkleidungen und das schwarze Dach und viele weitere Elemente, mit denen der 208 seinen ganzen, riesengroßen Charme so richtig entfaltet.
Schauen wir uns die Preise an. Wie tief muss man in die Tasche greifen?
Klar ist: es gibt günstigere Kleinwagen. Peugeot ist sich seiner Stärken bewusst und preist den 208 schon etwas selbstbewusster, wie etwa auch VW. Für den 100-PS-Benziner in Active-Ausstattung, eine solide Variante, stehen 18.600 Euro zu Buche. Für unser Wunschmodell, den 100-PS-Benziner mit Automatik und GT-Line-Ausstattung sind es 25.000 Euro geradeaus. Nicht wenig, aber immer noch Welten weniger als für Premiumautos wie Mini oder A1 – dabei aber optisch und technisch keinesfalls schlechter. Das ist der Punkt, auf den es hier hinausläuft.
Die Elektrovariante ist ebenso konkurrenzfähig, sie startet bei 31.900 Euro und liegt in der Einmal-alles-Topversion bei 37.300 Euro. Durch Förderungen kommt man aktuell wieder um 3.000 Euro runter.
Wann geht es in Österreich los?
Benzin- und Diesel-Varianten ab November. Der e-208 startet im März 2020.
Wie fällt das Fazit aus?
Selten legt ein Kleiner einen so großen Auftritt hin. Und der Designhit 208 ist im Innenraum ebenso lässig. Auf technischer Seite setzen Achtgang-Automatik, Hologramm-Cockpit und die vollelektrische Variante neue Maßstäbe in der Klasse. Auch wenn Peugeot bei den Preisen selbstbewusster wird – dieser 208 bringt die Konkurrenz ins Schwitzen, selbst die Premiummarken. Es wäre nicht das erst Mal, dass ein Peugeot der coolste Typ der kleinen Klasse ist.