TECHNIK: EVOQUE & DISCOVERY SPORT PLUG-IN HYBRID
Jetzt auch technisch sehr schick
Weil man guten Geschmack hat, zum Beispiel. Die zwei Briten sind stilistische Ausnahmeerscheinungen der mittelgroßen SUV-Klasse – besonders natürlich der Evoque: Mit der Idee, eine Luxusikone wie den Range Rover im urbanen Kompaktformat von rund 4,40 Metern Länge zu bauen, hat Land Rover ab 2011 die Autowelt verändert. Neun Jahre nach dem ersten luxuriösen Kompakt-SUV der Welt zählt diese Fahrzeugklasse zu den wichtigsten überhaupt. Der Evoque hat in der seit 2019 neuen, zweiten Generation jetzt über 20 Konkurrenten – aber schicker als mit dem Pionier geht es noch immer nicht. Das radikale Design bleibt das Geheimnis des Evoque-Erfolgs.
Der Discovery Sport wiederum steht für die pragmatische Land Rover-Tradition, die Briten bauten ja schob lange vor dem SUV-Boom geräumige Fahrzeuge, mit denen man auch in die Botanik abbiegen kann. Heute bietet der kleinere „Disco“ 1800 Liter Ladevolumen, was für ein mit rund 4,60 Metern Länge nicht übertrieben großes Auto eine Ansage ist. Im Vorjahr geriet der planmäßige Relaunch des Discovery Sport fast zum Modellwechsel: 70 Prozent der Teile sind nun neu.
Jetzt bekommen die britischen Stilikonen neue Plug-in-Hybridantriebe. Was steckt technisch hinter den neuen P300e-Varianten?
Echte Revolutionen. Ein Land Rover mit Dreizylinder und einem Allradantrieb ohne mechanische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachse wäre vor zehn Jahren wohl noch ins Reich der Fabeln verwiesen worden. Das gilt aber auch für einen Land Rover, der in der Stadt plötzlich als reines Elektroauto unterwegs ist und trotzdem ohne Reichweitenprobleme mit Benziner über die Autobahn düst. Die britischen Stilikonen sind jetzt also auch technisch todschick unterwegs.
Basis der neuen P300e-Varianten sind ein 200 PS starker 1,5-Liter-Dreizylinder-Benziner, ein Akkupaket mit 15 kWh Speicherkapazität im Fahrzeugboden und ein Elektromotor mit 109 PS an der Hinterachse. Der Turbomotor entspricht den bekannten Ingenium-Aggregaten von Jaguar und Land Rover und wurde nur etwas verkleinert, was ihn nebenbei 37 Kilo leichter macht. Die Lithium-Ionen-Batterien kommen von Samsung. Die elektrische Hinterachse ist mit dem bei Volvo eingesetzten Antrieb ident, wurde aber bei der Allradmarke Land Rover noch traktionsoptimiert. Im Gegensatz zu den anderen Evoque- und Discovery Sport-Modellen kommt keine Neun-Gang-Automatik zum Einsatz, sondern ein Acht-Gang-System von Aisin, das auch in vielen BMWs verbaut ist ist und dort gute Kritiken einfährt.
An der Spitze. Mit 309 PS Systemleistung sind die sie die neuen Topmodelle. Zum Vergleich: Die Benziner der Baureihen haben zwischen 200 und 300 PS, die Dieselvarianten zwischen 150 und 240 PS. Im Sprint auf Hundert verbessert sich der Evoque damit auf 6,4 Sekunden, das ist zwei Zehntel schneller als der P300. Beim Discovery Sport stoppt die Uhr nach 6,6 Sekunden, während der zweitstärkste P250 für die gleiche Beschleunigung 7,8 Sekunden braucht. Beim Topspeed geht es mit 208 km/h beziehungsweise 213 km/h aber nicht ganz so hoch hinaus wie bei den Vierzylindern, irgendwann kommt der eh höchst tapfere Dreizylinder-Turbo halt ins Schnaufen.
Wie funktioniert das Hybridsystem in der Praxis genau?
Je nach Situation ganz unterschiedlich. Grundsätzlich arbeiten Benzin- und Elektromotor im Hybridmodus, sind also ein Team. Beim Beschleunigen unterstützt der E-Motor, somit ist der Verbrenner weniger gefordert. Beim Gleiten kann sich der Benziner oft ganz zurückziehen. All das senkt den Treibstoffverbrauch deutlich. Alternativ kann per Knopfdruck auf reinen Elektroantrieb – dann übertragen von der Hinterachse – umgestellt werden, das funktioniert bis zu einem Tempo von 135 km/h. Theoretisch kann der Benzinmotor auch die Batterien laden, aber das ist ökonomischer Unsinn und wird vom Fahrer nicht genutzt werden, solang es keine Umweltzonen gibt, in die man nur elektrisch fahren darf. Der Allrad dagegen greift bei hohem Traktionsbedarf sehr wohl auf diese interne Ladefunktion zurück, denn auch ohne mechanische Verbindung zwischen Vorderachse (mit Benziner) und Hinterachse (mit E-Motor) bleiben Evoque und Discovery natürlich echte 4x4-Fahrzeuge. Die elektrischen Allradsysteme sind inzwischen generell erstaunlich schnell, harmonisch und effektiv geworden.
Wie hoch ist die rein elektrische Reichweite?
Bei der rein elektrischen Reichweite sind Evoque und Discovery Sport mit 66 beziehungsweise 62 Kilometern die besten im Segment. Auch wenn diese offiziellen Normangaben der Hersteller in der Praxis selten zu erreichen sind – die Botschaft der Briten kommt trotzdem an: Sie liegen hier vor den deutschen Premiummarken.
Wie unterscheidet sich der Hybridmodus vom reinen Elektromodus? Und wie hoch ist der Benzinverbrauch eigentlich, wenn beide Antriebe zusammenarbeiten?
Im Gegensatz zum Elektromodus, der ohne lokale Emissionen, aber natürlich mit reduzierter Leistung läuft, werden im Hybridmodus immer die vollen 309 PS bereitgestellt. Der Benzinverbrauch variiert ja nach Fahrweise stark: Wer sehr sportlich den Berg erklimmt, wird zweistellige Verbrauchswerte haben. Wer über die Landstraße oder durch die Stadt cruist und den Benziner nur zwischendurch zum Überholen nutzt, wird Miniverbräuche zwischen ein und drei Litern realisieren, solange die Batterie nicht leer ist.
Gibt es Fälle, in denen der Benziner allein die Arbeit machen muss? Und wie schaut es dann mit dem Verbrauch aus?
Wenn die Batterie leergefahren ist, nutzen die Plug-in-Hybride bis auf kurze Gleitphasen den Benzinmotor, der Verbrauch wird dann wie bei der Konkurrenz im Bereich von acht bis zehn Litern liegen. Und auf der Autobahn, wo der Benziner immer übernimmt, wird man trotz Dreizylinder-Motor schon mit rund neun Litern Verbrauch kalkulieren müssen, in diesem Bereich liegen die Langstreckenwerte von mittelgroßen SUVs mit Benzinmotor bei vielen Marken.
Land Rover kann aber hier einen nicht unerheblichen Vorteil geltend machen: Während einige Konkurrenten bei ihren Plug-in-Hybrid-Modellen relativ kleine Benzintanks mit Kapazitäten um die 40 Liter einbauen, fasst das Behältnis bei Evoque und Discovery Sport 57 Liter. Das bedeutet größere Reichweite auf der Langstrecke, selbst konservativ gerechnet braucht man erst nach über 500 Kilometern wieder eine Tankstelle.
Auch bei Teilzeit-Elektroautos ist die Ladegeschwindigkeit ein wichtiger Faktor – wie schneiden Evoque und Discovery Sport hier ab?
Sie gehören zu den wenigen Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen, die auch bei einem kurzen Stopp fast voll aufgeladen werden können. Möglich macht es das Gleichstromladen (DC) mit 32 kWh, mit dem die Batterie nach nur 30 Minuten wieder bei 80 Prozent ist. Entsprechende Ladestation gibt es vor allem in Einkaufszentren immer öfter.
Beim einphasigen Wechselstromladen (AC) mit 7 kWh dauert es knapp über zwei Stunden, um auf 100 Prozent zu kommen – auch das ist gut, so mancher Konkurrent begnügt sich hier mit 3,7 kWh. Bei den Wallboxen zuhause und vielen öffentlichen Stationen ist AC-Laden mit 7kWh möglich. Das gilt auch für die rund 1000 Ladepunkte von Wien Energie in der Bundeshauptstadt, allerdings können sich dort immer zwei Autos anhängen. Falls man also beim Laden Gesellschaft bekommt, ist folglich mit halber Kraft und doppelter Ladezeit zu kalkulieren, das wären dann etwas weniger als viereinhalb Stunden.
Im Vergleich zu reinen Elektroautos sind die Batterien beim Plug-in-Hybrid natürlich deutlich kleiner, daher ist auch die normale Steckdose ein Thema: Sechs Stunden und 42 Minuten bis zur vollen Batterie errechnet Land Rover beim dort üblichen Laden mit 2,3 kWh. Wer zuhause Starkstrom hat, kann mit 3,2 kWh laden uns ist somit in rund fünf Stunden voll.
Übersetzten wir die Werte in die Praxis: Wann soll ich mir einen Plug-in-Hybrid kaufen und wann nicht?
Ob Plug-in-Hybrid Sinn macht, hängt nicht zuletzt von der richtigen Wohnadresse ab. Oder vom Arbeitsplatz. Dort oder da sollte zumindest eine eigene Lademöglichkeit vorhanden sein, wobei normale Steckdosen und knapp sieben Stunden Aufenthalt ja schon genügen. Wer mit voller Batterie dann weniger als 50 Kilometer am Tag fährt – und das sind die allermeisten Autofahrer – hat für seine Alltagsstrecken in der Stadt oder im Pendlerverkehr de facto ein reines Elektroauto. Und bei gelegentlichen Wochenendausflügen oder Urlaubsreisen trotzdem kein Problem, weil der Benziner ja zur Stelle ist. Mit diesem Profil wäre es also unlogisch, keinen Plug-in-Hybrid zu kaufen.
Wer keine eigene Lademöglichkeit hat, und aus dem Fenster der Altbauwohnung hängende Verlängerungskabel zählen ausdrücklich nicht dazu, bleibt dagegen besser bei den leichteren Benzinmodellen. Oder dem Diesel, falls man regelmäßig auf der Langstrecke ist.
Land Rover begegnet BMW, Mercedes und Audi technisch und finanziell absolut auf Augenhöhe. Die Preise sind also gerechtfertigt, aber natürlich gesalzen. Beide Modelle starten als P300e bei rund 50.000 Euro, wobei Allradantrieb und Automatik systembedingt immer schon dabei sind.
Innerhalb der Palette sind die neuen Plug-in-Hybride freilich höchst interessant, weil bei ihnen durch den niedrigen Normverbrauch von nur 1,4 Litern die Normverbrauchsabgabe auf null Prozent fällt. Skurriler Effekt: In der HSE-Topausstattung ist der Evoque P300 satte 13.000 Euro teurer als der stärkere P300e, bis auf den Diesel mit 150 PS liegen dann auch alle anderen Varianten über dem Plug-in-Hyrid. Nennenswert günstiger als die P300e-Varianten ist bei beiden Modellen sowieso nur der Einstiegsdiesel mit Frontantrieb und Schaltgetriebe.
Interessant ist die neue Technik auch für Dienstwagenfahrer, durch die gute Ökobilanz reduziert der Gesetzgeber den Sachbezug von zwei auf 1,5 Prozent, das kann schnell einmal einen Hunderter im Monat sparen.
Wann starten die zwei neuen Plug-in-Hybrid-Modelle in Österreich?
Sie sind ab sofort bestellbar, ausgeliefert wird ab August 2020. Übrigens, der Dreizylinder-Turbo aus dem neuen Hybridsystem wird 2021 auch allein kommen und der neue Einstiegsbenziner werden.
Wie fällt das Fazit nach der ersten technischen Analyse aus?
Mit dem Plug-in-Hybrid sind Evoque und Discovery Sport nun auch technisch todschick unterwegs: Sie können als reines Elektroauto durch die Stadt cruisen, aber bei Bedarf mit 309 Hybrid-PS auftrumpfen oder als Benziner ohne Reichweitenprobleme auf die Langstrecke gehen. Um das Konzept sinnvoll zu nutzen, sollte man aber entweder zuhause oder am Arbeitsplatz eine eigene Lademöglichkeit haben – wobei die normale Steckdose genügt. Im Vergleich mit den anderen Premiummarken trumpft Land Rover stellenweise ordentlich auf: Die elektrische Reichweite ist die höchste im Segment, der größere Benzintank erleichtert Autobahnfahrten und durch das Gleichstrom-Schnellladen sind die zwei Briten eine der wenigen Plug-in-Hybride, die man auch bei einem kurzen Stopp wieder voll aufladen kann.
DATEN & FAKTEN
Range Rover Evoque P300e / Land Rover Discovery Sport P300e
(Mai 2020)Preis
Evoque P300e ab 50.950 Euro. Discovery Sport P300e ab 49.510 Euro.Antrieb
Dreizylinder-Benzinmotor, Turbolader, 1.497 ccm; 15 kWh Lithium-Ionen-Batterie; elektrische Hinterachse; 8-Gang-Automatik; Systemleistung 309 PS, 540 Nm.Abmessungen
Evoque: Länge 4.371 mm, Höhe 1.649 mm, Breite 1.904 mm, Radstand 2.681 mm.Discovery Sport: Länge 4.597 mm, Höhe 1.727 mm, Breite 2.069 mm, Radstand 2.741 mm.
Gewicht
Evoque: Gewicht 2.082 kg, Anhängelast 1.600 kg.Discovery Sport: Gewicht 2.093 kg, Anhängelast 1.600 kg.
Fahrwerte
Evoque: Höchstgeschwindigkeit 213 km/h, 0-100 km/h in 6,4 s, Normverbrauch 1,4 l.Discovery Sport: Höchstgeschwindigkeit 209 km/h, 0-100 km/h in 6,6 s, Normverbrauch 1,6 l.