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Erster Test: Kia EV6 GT

Erster Test: Kia EV6 GT

Gib mir Watt!

Die Auszeichnung als „Auto des Jahres“ hat der Kia EV6 schon in der Tasche. Jetzt feiert er sich selbst mit der Top-Variante GT und saftigen 585 PS. Für die erste Ausfahrt nimmt niemand geringerer im Pilotensessel Platz als Albert Biermann, bis vor kurzem Entwicklungschef und federführend für den EV6 samt seiner heißen GT-Version.
Eigentlich müssen beide Protagonisten dieser Story nicht mehr vorgestellt werden.
Der Höflichkeit halber tun wir es trotzdem: Albert Biermann, Jahrgang 1957, startete seine Karriere 1983 bei BMW, wurde 2000 technischer Direkter der Sport- und Tourenwagensparte bei BMW M, wo er ab 2008 die stellvertretende Leitung der Entwicklung übernahm. 2015 überraschte er die Branche mit seinem Wechsel zu Kia/Hyundai, verantwortete dort die ersten Hochleistungsmodelle der Marken, 2018 wurde er Entwicklungschef der gesamten Hyundai Motor Group. Seit Ende vergangenen Jahres ist er halboffziell im Ruhestand, für das Unternehmen aber noch beratend tätig.
 
Der EV6 ist eine …
… der umfassendsten Konzern-Entwicklungen aus der Biermann-Ära. Plattform, Design, Batterie, Antriebstechnik – bei allem hat Kia hier komplettes Neuland betreten. Mit Erfolg – der EV6 ist zwar nicht das erste batterieelektrische Auto des Jahres, aber das erste aus Korea überhaupt. Auf die GT-Variante haben viele Interessenten gewartet: Mit einem Tarif ab 69.990 Euro ist sie für E-Autos sehr günstig eingepreist und solange die Elektro-PS noch steuerfrei sind, reizen sie schon deswegen mit der schieren Power, die sie versprechen. Aber auch sonst war einiges an Erwartungshaltung dabei: Schafft Kia die Spreizung zum authentischen Gran Turismo mit Watt statt Gas geben?
 
Vom flinken Cruiser zum strammen Lackl!
In den Heckantriebsvarianten zu 170 PS und 229 PS ist der EV6 nicht untermotorisiert, mit 325 PS und 4WD schon ein recht flotter Begleiter. Jetzt legt Kia da noch einmal 260 PS drauf, und es bleibt auch rundherum kein Stein auf dem anderen, um die gut fahrbar zu machen. Der Auftrag war klar: Kein Sportwagen, sondern ein sportlicher Tourer sollte es werden, ganz in der Tradition klassischer GTs – nur eben in der E-Liga angesiedelt. Offiziell will das niemand sagen, aber das Schielen Richtung Porsches Taycan Cross Turismo schwingt schon ein bisschen mit – und immerhin tritt der EV6 ja auch mit vergleichbarer 800 Volt-Technologie an. Kia hat sich vor allem den Bereichen Antriebsregelung, Fahrwerk, Handling und Bremsen gewidmet – alles Biermann-Spezialgebiete. Herausgekommen ist eine herrlich präzise Leistungsentfaltung auf straffer Abstimmung, die immer noch keine Komfortansprüche enttäuscht und die 585 PS samt 740 Newtonmeter Drehmoment sauber im Griff hat.
Was abgesehen von der schieren Leistung begeistert: Das souveräne Handling bei jedem Tempo, die Straffheit des ganzen Geräts.Was abgesehen von der schieren Leistung begeistert: Das souveräne Handling bei jedem Tempo, die Straffheit des ganzen Geräts.
Der neongelbe Knopf für den GT-Mode oder eine individuelle Abstimmung.Der neongelbe Knopf für den GT-Mode oder eine individuelle Abstimmung.
Die ausgezeichneten Sportsessel werden im Konzern gefertigt.Die ausgezeichneten Sportsessel werden im Konzern gefertigt.
Der Look wurde in vielen Details angepasst um die Performance unter dem Blech auch äußerlich sichtbar, aber nicht aufdringlich zu machen.Der Look wurde in vielen Details angepasst um die Performance unter dem Blech auch äußerlich sichtbar, aber nicht aufdringlich zu machen.
Wie unterscheidet sich die GT-Variante äußerlich?
Der Look wurde in vielen Details angepasst um die Performance unter dem Blech auch äußerlich sichtbar, aber nicht aufdringlich zu machen. Eine GT-eigene Frontschürze mit vertikalem Gitterlayout der Lufteinlässe und an der schmalen Leiste entlang der Haube, mächtige 21 Zoll-Räder hinter denen neongelbe Bremssättel hervorleuchten. Auch Heckschürze und Diffusor sind an das sportliche Erscheinungsbild angepasst. Der GT-Look steht dem EV6 hervorragend und ist ingesamt sogar schlüssiger, als bei den „zivilen“ Varianten. „Den zu machen war eine der tollsten Herausforderungen bei Kia/Hyundai“ sagt Albert Biermann und tiefstapelt ein wenig hinterher: „Und ich glaube, er ist gut geworden.“
 
Wie viel GT findet sich im Innenraum?
Genug, um niemals zu vergessen, dass man in einem Perfermance-Modell Platz genommen hat. Cockpit-Layout und Bedienelemente sind grundsätzlich gleich wie bei allen anderen EV6 auch. Bis auf den neongelben Taster am Volant, mit der GT-Modus aktiviert wird, in dem alle Parameter angespitzt sind. Als Draufgabe sind noch sauber ausgeführte und äußerst passgenaue Sportsättel montiert, das Neon-Farbthema wird bei den Nähten wieder aufgenommen und wirkt in Kombination mit den grauen alcantara-ähnlichen Stoffen schon wie ein Versprechen auf das, was der Ritt darin hergeben wird. Auf die Frage, wer da zugeliefert hat, Recaro oder Sparco etwa, überrascht Biermann: „Bei Kia/Hyundai bauen wir fast alles selbst, auch die Sitze. Die Lieferketten finden innerhalb des Konzerns statt, mit eigenen Tochterfirmen und Subunternehmen. Wir schätzen die Unabhängigkeit.“ Angesichts von Chip-Engpässen und Kabelbaum-Komplettausfällen in der Lieferung bei anderen Hersteller offenbar der richtige Weg.
 
Ein kurzer technischer Überblick – was wird aufgeboten?
Chef-Entwickler Biermann fasst es zusammen. „Zwei Permanent-Synchronmotoren, einer die Vorderachse antreibend, der andere die hintere. 218 PS vorne, 367 hinten, zusammen echte 585 PS und 740 Newtonmeter Drehmoment. Abgesehen von der 800 Volt-Technik sind vor allem die Inverter ausschlaggebend für die Performance. Auch, dass sie jederzeit und beliebig oft hintereinander abrufbar ist. Darauf sind wir sehr stolz, weil wir auch das „in house” entwickelt haben. Sehr viel Entwicklung steckt im Fahrwerk, um ein Handling zu erreichen, dass dieser Leistung entspricht.“ Dem ist nichts hinzuzufügen – außer vielleicht für in Elektrotechnik nicht so kundige, warum dem Inverter solche Bedeutung zukommt: Er wandelt den Batterie-Gleichstrom in den vom E-Motor benötigten Wechselstrom um und muss das für entsprechende Performance trotz hoher Temperaturbeanspruchung schaffen. Ist das nicht der Fall, regulieren E-Autos die Leistung runter und fahren in einer Art Notprogramm.
Cockpit-Layout und Bedien-Konzept ist gleich wie beim ziviler motorisierten EV6, das sportliche Ambiente erledigen die Applikationen.Cockpit-Layout und Bedien-Konzept ist gleich wie beim ziviler motorisierten EV6, das sportliche Ambiente erledigen die Applikationen.
Schneller laden mit 800-Volt-Technologie.Schneller laden mit 800-Volt-Technologie.
Freischwebende Mittelkonsole, darunter viel Ablagefläche.Freischwebende Mittelkonsole, darunter viel Ablagefläche.
Kann auch praktisch sein: „Wir wollten keinen Supersportwagen bauen, sondern ein sportliches Reisefahrzeug“, erklärt Biermann – mit einem Schmunzeln.Kann auch praktisch sein: „Wir wollten keinen Supersportwagen bauen, sondern ein sportliches Reisefahrzeug“, erklärt Biermann – mit einem Schmunzeln.
Der heiße Ritt – wie ist das Fahrgefühl?
„Wir beginnen erst einmal im Comfort-Mode.“ sagt Biermann und macht schon in der ersten Kurve klar, dass er damit nicht den Fahrstil meint. Entwickler fahren ihre Geschöpfe ein wenig anders der Normalkunde. Dass die Fahrzeugbalance passt und auch Kraftüberschüsse mit hohen Sicherheitsreserven verarbeitet werden, ist aber sofort merkbar. Auf einem Autobahnzubringer reicht es, einmal den gelben Knopf zu drücken, und wir sind im GT-Modus. Die Instrumentengrafik führt ihr Tänzchen zum Switch auf Sportansicht auf und Biermann gibt Gas, also Watt eigentlich. Der GT strafft in Echtzeit die Muskeln und macht bei etwa 80 km/h einen Satz vorwärts, den ein thermisch angetriebenes Auto nur schafft, wenn es aus Maranello, St. Agatha, Gaydon oder Affalterbach stammt. „Wir wollten keinen Supersportwagen bauen“ erklärt Biermann mit einem Schmunzeln „sondern einen echten GT, eben einen Gran Turismo, ein sportliches Reisefahrzeug.“ Inzwischen sind wir auf der Autobahn, der deutschen zum Glück, denn bei der Tempoanzeige steht schon ein Zweier vorne. Dennoch herrscht im EV6 heilige Ruhe. Nicht nur vor Ergriffenheit, sondern auch weil der Motor bestenfalls surrt und die glatte Hülle so gut wie geräuschlos durch den Wind stromt. 230 und freie Bahn, Biermann reißt das Steuer abrupt nach rechts, der GT zieht unbeeindruckt rüber, kein Nicken oder Wanken. Und wieder zurück, die gleiche stoische Ruhe, sowohl am Volant als auch im Fahrwerk. Don’t try this at home, aber Biermann kann’s und das Auto ist dafür gebaut. Irgendwann schlägt der Tacho bei 266 an, oberes Ende der Skala, mehr geht nicht, aber auch dabei wirkt der EV6 kein bisschen gestresster oder als wäre er an ein Limit gelangt. „Toll, wie leicht der sich tut“ freut sich auch der Schöpfer des Technik-Pakets. Gut, die Verbrauchsanzeige klettert derweil Richtung 60 kWh je hundert Kilometer, also nicht unbedingt die richtige Betriebsart für den Langstreckeneinsatz. Das gilt aber für jedes E-Auto, nur dass die wenigsten dabei so viel Spass machen.
 
Fazit: Wie es euch gefällt & so oft ihr wollt
Das Versprechen der beliebigen Wiederholbarkeit der Performance hält – wir machen den Top-Speed und Beschleunigs-Ritt noch mehrmals, beanspruchen auch die Bremsen zwischendurch gehörig. Nichts überhitzt, lässt nach oder bittelt um Gnade. Der GT tritt unbeeindruckt immer wieder zum Spurt an, lässt sich beleibig einfangen um gleich wieder auf Zug zu gehen. Was abgesehen von der schieren Leistung, die aber immer das Gefühl der Beherrschbarkeit vermittelt und nicht den brutalen Hauddrauf-Charakter einiger E-Supersportler hat, begeistert: Das souveräne Handling bei jedem Tempo, die Straffheit des ganzen Geräts, das damit wirkt wie aus einem Guss gemacht. Und dennoch der hohe Komfort, in dem sich das ganze abspielt. „Ich hoffe, es hat gefallen.“ verabschiedet sich Biermann bescheiden und grinst, weil er die Antwort natürlich kennt.
Der GT macht bei etwa 80 km/h einen Satz vorwärts, den ein thermisch angetriebenes Auto nur schafft, wenn es aus Maranello, St. Agatha, Gaydon oder Affalterbach stammt. Und auf der Autobahn, der deutschen zum Glück, steht am Tacho schnell ein Zweier vorne. Dennoch herrscht im EV6 heilige Ruhe.Der GT macht bei etwa 80 km/h einen Satz vorwärts, den ein thermisch angetriebenes Auto nur schafft, wenn es aus Maranello, St. Agatha, Gaydon oder Affalterbach stammt. Und auf der Autobahn, der deutschen zum Glück, steht am Tacho schnell ein Zweier vorne. Dennoch herrscht im EV6 heilige Ruhe.

DATEN & FAKTEN

Kia EV6 GT (April 2022)

(April 2022)

Preis

Ab 69.990 Euro

Antrieb

2 Synchron-E-Motoren, 218 / 367 PS, Gesamtleistung 585 PS, 740 Nm, Allradantrieb.
Batteriekapazität 77,4 kWh.
1-Gang Direktgetriebe.

Abmessungen

Länge 4.695 mm / Breite 1.890 mm / Höhe 1.545 mm. Radstand 2.900 mm. Kofferraumvolumen 480 – 1.260 Liter (+ 20 Liter vorne).

Gewicht

Eigengewicht ca. 2.125 kg.
Zulässiges Gesamtgewicht 2.610 kg

Fahrwerte

Höchstgeschwindigkeit 260 km/h, Beschleunigung 0 – 100 km/h in 3,5 Sekunden, Verbrauch 22,7 kWh/100 km, Reichweite 423 km.
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