INTENSIVTEST: SUZUKI JIMNY 1,5 ALLGRIP
Gib Dir die Kante
Ausgerechnet ein klitzekleiner Japaner gibt der versammelten SUV-Meute eine Lehrstunde in Coolness – wie geht das?
Der Kniff ist so simpel wie genial. Während sich inzwischen an die 50 Kompakt-SUVs angestrengt versuchen, voneinander abzuheben, ist Suzuki zurück an den Ursprung gegangen. Wie hat ein Geländewagen einmal ausgesehen? Genau! Einige Stufen weiter oben ist die G-Klasse mit dieser Ästhetik schon seit langen sehr erfolgreich, aber während man den Mercedes auch martialisch empfinden kann, ist die kompromisslose Geradlinigkeit im Kleinstformat wirklich unbestritten sympathisch. Wer kein Herz für diesen kleinen Japaner hat, mag wohl einfach keine Autos. Und so ist es ein 3,64 Meter kurzes Auto, dass in diesem Jahr die größtmöglichen Emotionen auslöst.
3,64 Meter Länge sind wirklich wenig, oder?
In der Tat, und da ist ja das außen montierte Reserverad sogar schon miteingerechnet! Ein Vergleich macht deutlich wie unglaublich urban das Format des Jimny ist: Sein Abstand zur Kompakt-SUV-Klasse (Tiguan, 3008…) beträgt rund 80 Zentimeter (!), also viel mehr als jene 50 Zentimeter, die den Kompakt-SUVs ihrerseits zur absoluten Luxusklasse (Q7, Range Rover…) fehlen. Damit ist der Jimny der smart unter den SUVs, ein König im Parkplatzdschungel. Zudem weisen Wildnis und Wiener Innenstadt ja erstaunliche Parallelen auf, was die automobilen Anforderungen angeht: Dass der Fahrer im Jimny höher als in vielen SUVs sitzt und zwecks besserer Übersicht zudem weit außen platziert ist, sind Offroader-Attribute, die auch im Parkplatzkampf helfen. Die Rückfahrkamera als Abrundung ist zwar nicht im Serienumfang, aber über das Zubehörprogramm günstig zu beziehen.
Stimmt, er kann das, was SUVs nur in der Phantasie können: Als echter Offroader ist der Jimny eines der letzten Serienautos mit echten Geländeeigenschaften. Das zeigt der Antrieb mit zwei Starrachsen, zuschaltbarem Allradantrieb und Untersetzungsgetriebe ebenso wie die Daten für Bodenfreiheit, Böschungs- und Rampenwinkel (siehe Datenkasten) oder der Blick in den Zubehörkatalog, wo sich Dinge wie ein Schutzblech für das Differenzialgehäuse finden.
Was bedeutet die Offroad-Technik für die Straßeneigenschaften?
Dass sich der Jimny nicht fährt wie ein normales SUV. Wer den herkömmlichen PKW-Fahrkomfort will, muss zu herkömmlichen Kompakt-SUVs greifen, deren Fahrgefühl sich bekanntlich nicht wesentlich von der Polo- oder Golf-Klasse unterscheidet. Hier spielt dagegen eine ganze andere Musik…
Nämlich welche?
Naja, es wird nicht alles weichgespült und glattgebügelt, sondern es tut sich was. Man spürt man die Beschaffenheit der Straße, logisch bei einem kurzen Auto mit Starrachsen. Der Komfort ist für diese Art von Technik aber erstaunlich gut geworden, das Fahrwerk ist keineswegs nervig. Das gleiche gilt für die Lenkung, bei der man zwar mehr Kurbeln muss als bei herkömmlichen Autos, sicher aber schnell daran gewöhnt. Die Schaltung ist knochig, aber auf sympathisch präzise Art. Der Motor lässt von sich hören, wenn er arbeitet, ohne dabei wirklich laut zu werden.
Etwas Aufmerksamkeit ist immer gefordert, in Kurven muss man mitunter auf sein Tempo achten, und bei Nässe sowieso etwas aufpassen. Auf der Autobahn pendelt man sich meistens bei 120 km/h ein, da fühlt sich der Jimny dann wohl. Darüber wird es konzeptbedingt natürlich unruhiger und lauter als im Durschnittsauto, etwas anderes war aber nicht zu erwarten (auch die G-Klasse fährt sich anders als ein Range Rover).
Unterm Strich kann man natürlich beklagen, dass es hier weniger Komfort als in anderen Autos gibt – oder man kann diesen Fahrstil großartig finden: Wenn Autofahren wieder etwas mehr mit Arbeit und Aufmerksamkeit zu tun hat, kann das definitiv Spaß machen. Man merkt, wie gern man eigentlich Auto fährt.
Zwangsläufig philosophiert man über das Zwangsläufige: Wollen wir künftig wirklich autonom fahren, um dann noch mehr im Internet zu sein? Oder wollen wir vielleicht doch lieber selber fahren, um auch mal was anderes zu tun, als im Internet zu sein?
Durchaus, der Jimny ist sehr leicht. Und er startet geradezu dynamisch von der Ampel weg, da spürt man das – typisch für Offroader – bereits in tiefen Drehzahlen verfügbare Drehmoment.
Überland reicht es für so manches Überholmanöver. Auf der Autobahn muss man es natürlich gemütlicher angehen, aber das ist grundsätzlich nicht das bevorzugte Terrain des Jimny.
Der Verbrauch geht okay, im durchaus flott gefahren Stadt-Land-Autobahn-Mix sind wir auf 7,6 Liter gekommen. Mit einem Benziner wird man selten weniger schaffen.
Wie schön und wie modern ist der Innenraum?
Suzuki spielt keine Spielchen, das Cockpit ist übersichtlich und robust wie es sich für ein Auto mit echten Offroad-Eigenschaften gehört. Wer Designkapriolen sucht, muss woanders schauen.
Was nicht heißt, dass die Technik nicht am neuesten Stand wäre. Das Multimediasystem mit Sieben-Zoll-Bildschirm kann alles, was man heute können muss: Navi, Freisprecheinrichtung, Smartphone-Anbindung und so weiter. Die Graphik ist sogar vorbildlich übersichtlich. Nur bei der Namensuche im Telefonmodus muss man lange scrollen, um auf die hinteren Namen zu kommen.
Nur auf der Autobahn ist der Lautsprecher der Freisprecheinrichtung zu leise, man muss sich bei 100 km/h einbremsen, um den Gesprächspartner zu verstehen. Oder eben mal kurz auf das Handy verzichten und sich auf’s Autofahren konzentrieren, macht noch mehr Sinn.
Wie schaut es mit dem Platzangebot aus?
Vorne ist genügend Platz auch für etwas größere Passagiere. Hinten kommen zwei Erwachsene zumindest unter, für Kinder und Teenager ist reichlich Platz – einzige Umstellung: Das hintere Fenster ist fix verbaut.
Der Jimny ist grundsätzlich ein Viersitzer, bei aufgestellter Fondbank gibt es aber keinen Kofferraum im Wortsinn, sondern nur noch einen Stauraum-Schlitz. In Zahlen ausgedrückt: 85 Liter. Legt man die zweiteilige Fondsitzbank um, ist der Stauraum dagegen sehr groß: Die 377 Liter bis zur Fensterkante sind normales Kompaktklasse-Maß, die 830 Liter bis unters Dach sind fernreisetauglich. Weil die Rückseite der Fondsitze mit Kunststoff bezogen ist, rutscht die Fracht beim Fahren hin und her, im Zubehörkatalog finden sich aber zahlreiche Gepäckraum-Wannen und -Matten, die genau das zu verhindern wissen.
Und preislich? Ist der Jimny günstig? Welche Version soll man nehmen?
Für coole Städter läuft es auf die getestete „flash“-Ausstattung hinaus, weil da auch die Designelemente enthalten sind: Schicke Alufelgen, lackierte Außenspiegel und Türgriffe, abgedunkelte Scheibe in der zweiten Reihe, solche Dinge. Dabei handelt es sich dann schon um die Topausstattung inklusive Navi und allem anderen, man kann also tatsächlich bei 21.490 aus dem Konfigurator auschecken. Wenn das nicht günstig ist für ein außergewöhnlich cooles Auto, was dann?
Das Test-Fazit?
Emotional gesehen das Auto des Jahres 2018 (schade dass sich die Car-of-the-Year-Jury nicht getraut hat, ihn auf die Shortlist zu setzten). Neben diesem Designstatement erblasst so mancher Sportwagen. Herkömmlichen SUVs haben mehr Komfort, aber viel weniger Charakter: In die grandiose Kürze, den urigen Fahrstil und den sensationellen Auftritt kann man sich heftig verlieben, gerade auch in der Stadt.