MOTOGP-SUPERSTAR: SEITENSPRUNG MIT 300 KM/H
Márquez: Sein Formel-1-Debüt
Er gilt als der brutalste, der rücksichtsloseste Motorradfahrer der Gegenwart.
Oder mit anderen Worten: als der beste, der schnellste und der derzeit erfolgreichste.
In der Nacht von Montag auf Dienstag aber, da hatte seine Nacht im wunderschönen Murtal eher was von Stopp&Go. „Ich habe sicher schlechter geschlafen als vor einem Motorradrennen. Da weiss ich, was zu tun ist. Hier aber kam etwas Unbekanntes auf mich zu."
"Er" ist Marc Marquez, vierfacher MotoGP-Weltmeister auf Honda und aktuell wieder der Führende in der WM, mit drei Saisonsiegen in den ersten sechs Rennen.
Das Unbekannte ist ein Formel-1-Bolide, sein erster. Und wie er ein Weltmeister. Auch wenn Red Bull ihn in den 2018er-Farben von Toro-Rosso-Honda gefärbt hatte, war er nach einer kurzen "Grübel, Grübel & Studier"-Phase unschwer als Red Bull RB8 zu erkennen, Baujahr 2012. Jenes Auto, mit dem Sebastian Vettel Weltmeister geworden war. Ein herrlich archaisch lautes Wesen mit einem alten V8-Saugmotor.
Marc durfte am Red Bull Ring, also auf einer Strecke, in der in den nächsten Wochen sowohl die Formel 1 (1. Juli) als auch die MotoGP (10. August) Station machen werden, zum ersten Mal ein Formel-1-Auto testen. Trotz mangelnder Rennauto-Erfahrung: „Ich bin in Motegi mal zwei Runden in einem Formel 3 gefahren, mehr war da bislang nicht."
Gut, dass er den Abend davor mit Mark Webber, dem Ex-RB8-Stammpiloten und mit Dr. Helmut Marko verbrachte, die ihn noch mit Tipps versorgten.
Freilich: Gefahren ist die Formel 1 immer ein Stück ärger als gehört.
Also notierte Marc nach seinen ersten Runden: „Es ist ein unglaubliches Gefühl, mit dem Auto zu fahren, vor allem der Anpressdruck und die Geschwindigkeit, mit der man die Kurven nehmen kann, sind beeindruckend, aber meinen Nacken spüre ich jetzt schon.“
Die grösste Schwierigkeit? Dass, was man ihm prophezeit hatte: „Das Bremsen. Es ist einfach unfassbar, wie spät man mit so einem Formel-1-Boliden bremsen kann. Und wie schnell man in der Folge durch die Kurve fährt."
Niki Lauda, der mit einer Red-Bull-Privatmaschine (einer DC6, die früher für Jugoslawiens Staatschef Tito im Einsatz war) nach Spielberg geflogen war, um bei einer Pressekonferenz die Werbetrommel für den Österreich-Grand-Prix zu rühren, staunte: "Ich wusste gar nicht, dass er hier fährt. Ich hatte wohl bei der Einladung nicht richtig zugehört. Aber er fährt beeindruckend."
Marcs künftiger Honda-Teamkollege Jorge Lorenzo hatte 2016 bereits einmal einen MercedesGP-Boliden testen dürfen. Und Valentino Rossi hatte einst längere Tests bei Ferrari, er kam auch bis an eine Sekunde an die Zeit von Michael Schumacher heran - doch diese letzte Sekunde konnte er auch in mehreren Versuchen nicht mehr aufholen. Es schien seine "natürliche" Grenze zu sein. Deshalb scheiterten Überlegungen ihn wirklich in die Formel 1 zu holen - möglicherweise über den Umweg Toro Rosso.
Jenem Team, in dessen Farben nun Marc Márquez fährt. Und mit dem er sich am Beginn seines Nachmittag-Stints in der Jochen-Rindt-Kurve ins Aus dreht. Genau dort, wo er im Vorjahr in der letzten Runde Andrea Dovizioso spektakulär attackiert hatte. Er muss die paar Meter zurück zu Fuss zur Box, nebenan schieben die Mechaniker den nahezu unververwundeten Boliden in die Pitlane. Einige Minuten später geht es weiter.
Später und am Tag danach dürfen auch Dani Pedrosa und Tony Cairioli den Formel-1-Boliden testen, wenn es nicht - wie öfters - gerade wie aus Eimern regnet.
Mark Webber lobt indes Marc: "Er ist konzentriert, stellt die richtigen Fragen, kann natürlich die Telemetriedaten lesen - das alles macht das Arbeiten für mich angenehm." Die 760 PS sind in guten Händen.
Im August kommt Marc Márquez’ wieder, er will endlich das MGP-Rennen hier gewinnen: "Es ist eine tolle Anlage, die Fans sind so nahe dran, es ist eine herrliche Stadion-Atmosphäre."
Eines aber wird er sich in der Nacht vor dem ersten Training noch einprägen müssen, wie er lachend bekennt: "Wenn ich mit dem Motorrad den Formel-1-Bremspunkt nehme, werde ich ein Problem bekommen!"
PS: Alle Infos zu Tickets für die Weltklasse-Events in Spielberg gibt es unter www.projekt-spielberg.com