TEST: VOLVO S90 T8 AWD TWIN ENGINE
Eine Frage des Lifestyles
Natürlich kein turbogeladener Achtzylinder, wie man laut alter Volvo-Nomenklatur (T4, T6 …) vermuten würde. Sondern ein Antrieb mit ähnlichen Leistungsdaten: Die Vorderachse wird von einem Vierzylinder-Turbo mit 320 PS angetrieben, die Hinterachse von einem Elektromotor mit 88 PS – zusammen sind also mehr Pferdchen als bei einem Porsche 911 am Werk. Nebenbei sorgt die motorische Doppelgleisigkeit für Allradantrieb. Die Batterien liegen im Stil einer Wirbelsäule im Mitteltunnel und sind aufladbar.
Ist das der erste Plug-In-Hybrid von Volvo?
XC60 und XC90 sind ebenfalls schon mit aufladbarem Hybridantrieb verfügbar, aber in diesem Fall ist das Batteriepaket größer und leistungsfähiger.
Die deutsche Konkurrenz setzt ebenfalls auf Hybrid, aber Volvo hat ein interessantes Alleinstellungsmerkmal …
In der Tat, während es die Hybridvarianten von E-Klasse und 5er nur als Limousine gibt, kann man bei Volvo zwischen Limousine (S90) und Kombi (V90) wählen. Im Premiumsegment stellt Volvo somit den einzigen Kombi mit Plug-in-Hybrid und bietet sich jenen Hybrid-Fans an, die kein SUV haben wollen.
Zum einen, weil Plug-in-Hybrid die hippe Alternative zum Diesel ist: eine dezente Annäherung an das Elektroauto, aber ohne Einschränkungen in der Reichweite. Zum anderen, weil man mit dieser Technik die Steuer austrickst, wenn es um die NoVA oder den Sachbezug für Dienstwagenfahrer geht. Im Fall des S90 relativiert sich diese Ersparnis allerdings, weil der Nettopreis für den Plug-in Hybrid recht hoch ist.
An Bord sind de facto zwei Antriebe. Wird das Auto da nicht schwer?
Das liegt in der Natur der Sache. Der S90 wiegt als Plug-in Hybrid knapp 2100 Kilo, rund 200 Kilo mehr als die Dieselmodelle.
Was bedeutet das für das Fahrverhalten?
Man muss den S90 nehmen wie er ist: Als wunderbaren Gleiter mit fast geräuschlosem Anrieb, luftgefederter Flauschigkeit und phänomenaler Geräuschdämmung. Es gibt wenige Autos, die auf der Autobahn so entspannend sind. Auf kurvigen Straßen ist aber Zurückhaltung angesagt, das ist klar.
Wie lange muss man die Batterien laden und wie lange kann man elektrisch fahren?
Wir haben zuhause an der normalen Steckdose sieben, acht Stunden und an der Wallbox knapp drei Stunden geladen, bis wir volle Batterien hatten. Damit sind wir dann rein elektrisch 30 bis 35 Kilometer weit gekommen, hauptsächlich im Stadtverkehr.
Fühlt sich das Auto dann wie ein echtes Elektroauto an?
Mit Abstrichen ja. Wenn man das Gaspedal zu sehr durchdrückt, schaltet sich der Benziner zu. Im städtischen Alltag hat man dazu aber ohnehin keine Gelegenheit, sodass wir oft den ganzen Tag rein elektrisch durch die Stadt geglitten sind, vollkommen ohne Benzinverbrauch.
Wie schaut es mit dem Verbrauch aus, wenn der Verbrennungsmotor mitarbeitet? Und wie fühlt sich das an, der Benziner ist ja nicht gerade schwach …
In den Sitz gedrückt wird man nicht wirklich, dafür ist das Auto zu schwer, supersouverän sind die Fahrleistungen des Schweden aber allemal. Die Kraft entfaltet sich zwar nicht seidenweich wie bei einem V8, aber die Abstimmung zwischen Vierzylinder-Benziner und Elektroantrieb klappt immer ganz gut. Fährt man in der Stadt im Hybridmodus, braucht man vier, fünf Liter, machmal etwas mehr. Auf der Autobahn sind es rund sieben Liter. Deutlich mehr werden es nur auf kurvigen und hügeligen Landstraßen, wenn die Batterien leergefahren sind. Diese kann man zwar auch mit dem Verbrennungsmotor aufladen, aber das ist nicht wirtschaftlich.
Okay, sprechen wir Klartext. Funktioniert die Twin-Engine-Taktik des Volvos oder nicht?
Fakt ist: Die Plug-in-Hybrid-Technik ist nicht anpassungsfähig, sie will genau so verwendet werden wie vorgesehen. Wer also Zuhause oder am Arbeitsplatz eine Steckdose plus sieben Stunden Ladezeit verfügbar hat, und sich anschließend im realistischen elektrischen Radius von rund 30 Kilometern bewegt, wird weitgehend elektrisch fahren. Für Urlaube und Wochenendtrips bekommt er ein phänomenal gutes Reiseauto mit vernünftigem Benzinverbrauch dazu. Weicht der eigene Lifestyle allerdings von diesem Modell ab, wird es komplizierter: manchmal macht Plug-in Hybrid aufgrund er niedrigen Steuern trotzdem Sinn, im Falle des Volvo ist allerdings der Nettopreis recht hoch. In der Zukunft werden wir aber sicher mehr Plug-in Hybride sehen – spätestens wenn die Batterien stärker werden oder die ersten Bürgermeister einen Türsteher postieren, der einen nur mit Elektroantrieb in die Innenstadt durchlässt.