KOMMENTAR
Hamilton & Co.: Die Gene der Genies
Ich gestehe es. Aber ich denke, auch Ihnen ist es 2017 das eine oder andere Mal passiert. Und sie haben wie ich und wie fast alle TV-Kommentatoren das eine oder andere Mal Lewis Hamilton als den „aktuellen Weltmeister“ bezeichnet. Irgendwie war der größte Showstar der Formel 1 in den vergangenen Jahren auf der Strecke so dominant, dass man sehr rasch auf Nico Rosberg vergessen hat, der nach einem WM-Titel gleich zurückgetreten ist – ohne, um ehrlich zu sein, besonders präsent geblieben zu sein.
Nun ist Lewis Hamilton wieder der aktuelle Weltmeister, zum vierten Mal in seiner erste elf Saisonen währenden Formel-1-Karriere. Eine beeindruckende Bilanz. Statistisch auf einer Ebene mit Sebastian Vettel und Alain Prost.
Und das in einer komplizierten Saison, die uns eines ganz deutlich gezeigt hat: es gibt grandiose Rennfahrer. Und es gibt begnadete. In Jahren, in denen vom Reglement her zum einen vieles neu zu lernen ist (man denke nur an die Optik der Autos, an die Reifen, an den Kurven-Speed), zum anderen sich aber in anderen Bereichen (Motoren!) das Niveau sich langsam – etwas (!) - angleicht, macht der Fahrer wieder den Unterschied.
Es muss 2015 gewesen sein. Mercedes dominierte nach Belieben und wie sagten die Nörgler so schön: „Mit diesem Auto kann doch jeder Weltmeister werden.“ So wie man es über Vettel 2011 sagte, oder auch 2013.
An einem jener Stern-Tage von Mercedes sprachen Toto Wolff und Lewis Hamilton über die Zukunft und Lewis sagte etwas sehr Visonäres: „An dem Tag, an dem die Ferraris so schnell sind wie wir, wirst du wissen, warum du mich hast. Denn da werde ich den Unterschied ausmachen.“ Wolff selbst war natürlich schlau genug um das auch selbst zu wissen – und er verlängerte den Vertrag mit Lewis um weitere drei Jahre. Heuer ist die Rechnung aufgegangen.
Auch weil Toto einen seiner größten Stärken ausspielte: Mit Menschen unter vier Augen Klartext reden zu können und sie brilliant zu analysieren. Und so hat in seiner Küche mit Lewis über das Leben, über Träume und Ziele geredet und so nebenbei noch ein paar kleinere Scherben aus der Zeit des großen Stallkriegs mit Rosberg gekittet. Und er ist in Vorleistung gegangen – auch weil er, sehr zur Freude Hamiltons, Valtteri Bottas ins Team holte und nicht den unberechenbareren Pascal Wehrlein oder gar einen Spontan-Einkauf der Kategorie Alonso/Vettel.
Hamilton hat es gedankt – mit konzentrierter Arbeit. Mit Leistung die er auf den Punkt abrief. Unabhängig davon was er am Mittwoch davor an einem anderen Ende der Welt getrieben hatte oder am Montag danach wieder ganz wo anders zu tun plante. Wolff bot ihm Freiheiten wie nie ein Teamchef zuvor, und Hamilton dankte es mit der „Disziplin des Augenblicks“. Dann, wenn es darauf ankam, war er da.
Und wer Max Verstappen in Mexiko siegen sah, wer eine Woche davor die Entschlossenheit im Überholmanöver gegen Räikkönen erlebte, der weiss, dass der nächste Auserwählte längst auf der Asphaltbühne erschienen ist. „Der fährt wie Michael Schumacher“, analysierte Ross Brawn verblüfft.
Und da ist noch Sebastian Vettel. Klar, einige seiner Startmanöver heuer waren mehr dickköpfig als schlau, aber doch ist er ein Gewinner der Saison: Er hat Ferrari wiederbelebt, einige magische Runden (auch im Qualifying) absolviert und so nebenbei einen hoch geschätzten Piloten wie Kimi Räikkönen an 90 Prozent aller Tage so was von in Griff gehabt.
Ja, 2017 hat uns eines gezeigt: Es gibt einige wenige Piloten, die den Unterschied ausmachen. Und die dann, wenn es darauf ankommt, ihre Millionen zurückzahlen.