EXKLUSIV
Superhirn Adrian Newey im Interview
Er ist erfolgreichste Mensch, der je in der Formel 1 gearbeitet hat. Adrian Newey hat Williams, McLaren und Red Bull Racing zu Serien-Weltmeistern gemacht, kein Designer ist für so viele WM-Titel verantwortlich.
10 Fahrer- und 10 Konstrukteurs-WM Titel wurden im wahrsten Sinn des Wortes von ihm gezeichnet.
Nun, wenige Monate vor seinem 60. Geburtstag hat er sein Buch geschrieben, ein großartiges Standardwerk über die Geschichte der Formel 1: "Wie man ein Auto baut" ist im Salzburger Pantauro-Verlag erschienen https://www.pantauro.com/produkt/wie-man-ein-auto-baut-2/ und hier erzählt der "Michelangelo des Motorsports" (Zitat: New York Times) die Geschichten jener Rennwägen, mit denen er Geschichte schrieb. Und die ihrer Fahrer. Großartig und intim wie selten ein Buch zuvor, das sich mit der Formel 1 beschäftigt.
motorprofis.at führte mit Newey ein Exklusiv-Interview, das knapp eine Stunde dauerte. Den ersten Teil dieses Gespräches lesen Sie hier. Thema: Die Menschen und Autos, die den jungen Adrian prägten.
Welches Auto hat Sie als erstes inspiriert?
„Da gab es kein spezielles Auto. Mein Vater hatte einen Mini Cooper und einen Lotus Elan. Ich habe noch die Erinnerung aus meiner Kindheit, als er da herumbastelte. Er hat sie selbst in Schuss gehalten, und ich habe ihm geholfen und wollte alles wissen. Und als ich acht oder neun Jahre alt war, durfte ich sogar fahren. Er setzte mich auf seinen Schoß und ich fuhr im Mini die Feldwege entlang. Zunächst drehte ich nur am Lenkrad, aber dann benutzte ich auch die Pedale. Ich habe auch noch sehr gute Erinnerungen, dass ich danach Modell-Rennautos baute. Besonders der Lotus 49 sticht da für mich heraus. Den habe ich im Jahr 1968 gebaut, als ich zehn Jahre alt war. Das war ein Tamiya-1:12-Modell. Und diese Bausätze waren sehr gut, denn da stimmten bis zur Aufhängung alle Details, und auch die Bezeichnungen waren originalgetreu. Daher wusste ich dann, wie ein Radträger oder der untere Querlenker aussehen. Das ging bis zur Aufhängung, aber auch alle Aufkleber waren originalgetreu."
Apropos Lotus: Sie waren elf Jahre alt, als Jochen Rindt in Monza im Lotus 72 tödlich verunglückte. Haben Sie Erinnerungen an die Tragödie?
„Ja, die habe ich, denn mein Vater hatte ja diesen Lotus Elan und ich dieses 1:12-Modell von Tamiya. Als Familie waren wir also Lotus-Fans. Ich kann mich noch gut erinnern, als der Lotus 72 präsentiert wurde. Dieses Auto hat sich so stark unterschieden und war sehr radikal. Und ich war ein Junge, der vom Design der Boliden fasziniert war. Mich hat also dieses neuartige Auto begeistert. Und es war für mich eine große Sache und eine Tragödie, als Jochen darin sein Leben ließ. Dann ist ja Emerson Fittipaldi für ihn eingestanden und hat seinen Titel für Lotus verteidigt. Es war sehr aufregend, darüber als kleiner Junge zu lesen."
Lotus-Designer Colin Chapman war einer der ersten, der aerodynamisch für Innovationen gesorgt hat. Hat er Sie damals inspiriert?
„Colin Chapman war das Hirn hinter den früheren Lotus-Boliden - dem Lotus 25, dem 49, dem 72, den IndyCars aus dem Jahr 1966. Diese Autos waren wirklich hübsch und sehr effektiv. Die Ground-Effect-Autos - also der 78 und 79 - waren keine richtigen Chapman-Autos mehr. Der Kopf dahinter war eher Peter Wright. Der Kerl, der damals am meisten Innovationen im Motorsport gebracht hat, war Jim Hall von Chaparral. Seine Designs waren unglaublich fortschrittlich. Er war wahrscheinlich der erste Mensch, der das aerodynamische Konzept des Abtriebs bei Rennautos ordentlich verstanden und angewendet hat. Er hat bereits 1966 bei seinen Chaparrals Flügel ausprobiert und auch das Staubsauger-Auto mit dem Propeller im Heck erfunden. Das muss 1970 gewesen sein. Später wurde die Idee von Brabham in der Formel 1 kopiert."
Viele Rennfahrer bewundern in ihrer Anfangszeit die großen Stars der Formel 1. Waren Ihre Idole stattdessen Designer?
„Ja, obwohl ich nie wirklich ein Idol hatte. Ich habe also niemanden idealisiert, aber ich war vor dem Saisonbeginn immer sehr gespannt, welche neuen Designideen Colin Chapman, Gordon Murray, Gordon Copuck oder Patrick Head, die die Schlüsselpersonen waren, bringen würden."
Haben Sie einen Lieblingsfahrer?
„Ich war in Wahrheit zu jung, um mich wirklich gut an Jim Clark erinnern zu können - als er starb, war ich neun Jahre alt. Graham Hill war wahrscheinlich der erste, den ich bewunderte. Er fuhr ja diesen Lotus 49, von dem ich das Modellauto hatte. Und ich habe auch sein Buch 'Life at the Limit' verschlungen, ja sogar zweimal gelesen. Als er zurücktrat, war wohl Emerson Fittipaldi mein Lieblingsfahrer. Der Grund? Er war der nächste Lotus-Fahrer. Und die Art und Weise, wie er 1970 eingestiegen ist, wie rasch er gewonnen hat und wie er dann Jochen Rindts Titel verteidigt hat, das hat bei mir als kleiner Junge etwas ausgelöst. Ich hab ihm dann am meisten nachgeeifert. Es war später wohl ein glücklicher Zufall, dass ich meinen ersten Job im Motorsport bei Fittipaldi hatte."
Lesen Sie demnächst auf motorprofis.at: Teil 2 unseres Gespräches mit Adrian Newey. Etwa zum Thema: Wie entsteht ein Rennwagen in der modernen Formel 1 - und was muss der Fahrer können, um hier den Technikern eine echte Hilfe zu sein?