DTM: FINALE IN HOCKENHEIM
Österreicher jagen größten Titel seit Lauda!
Es ist ein Wochenende, wie es so eines noch nie in der Moderne des österreichischen Motorsports gegeben hat. Wenn die DTM 2022 vom 7. bis zum 9. Oktober am Hockenheimring ihre beiden Finalrennen der sensationellen Saison absolviert, dann sind unter den fünf aussichtsreichsten Titel-Kandidaten gleich vier, die in Österreich leben – davon drei, die ihr ganzes Leben in Österreich verbracht haben: Der Kufsteiner Mercedes-Pilot Lucas Auer, der Linzer Porsche-Fahrer Thomas Preining, Lamborghini-Star Mirko Bortolotti, der für das steirische Grasser-Racing-Team fahrende Wiener – und der dreifache DTM-Champion Rene Rast, der seit Jahren mit seiner Familie in Bregenz lebt. Dazu kommt der aktuell Führende Sheldon van der Linde, Teamkollege von Philipp Eng im BMW Team Schubert – das übrigens wie Grasser und das Preining-Team Bernhard heuer seine erste Saison in der DTM bestreitet. Ein Zeichen, wie fair die Einstiegs-Kriterien für Newcomer in der Traditions-Meisterschaft gestaltet sind.
Hockenheim! Für den österreichischen Motorsport ist dieser Ort schon längst „heiliger Boden“: Jochen Rindt hat 1970 hier sein letztes Rennen gewonnen, und der jetzige DTM-Chef Gerhard Berger gleich zwei Grand Prix: 1994 und 1997, sein ebenfalls letzter und wohl emotionalster Sieg in seiner erfolgreichen Formel-1-Karriere. Nun kann genau hier wieder rot-weiß-rote Motorsport-Geschichte geschrieben werden. Denn ein Titelgewinn von Lucas Auer oder von Thomas Preining wäre wohl der größte Titel, den ein österreichischer Automobil-Rennfahrer seit Niki Laudas Formel-1-WM-Erfolg 1984 errungen hat.
Natürlich: es gab die zehn Formel-1-Siege von Gerhard Berger, Alex Wurz gewann zwei Mal die 24 Stunden von Le Mans – aber in Sachen Titeln in Königsklassen gab es für Österreich (abgesehen von den Team-Erfolgen von Red Bull Racing) selten etwas zu feiern. Einzig Richard Lietz als Sieger des FIA World Endurance Cup 2015 konnte eine der ganz großen Meisterschaften im Automobilrennsport gewinnen – allerdings in dem Fall in der kleineren Klasse, jener der GT-Autos.
Umso wertvoller wäre der Meistertitel eines Österreichers in einer solchen Königsklasse wie der DTM. Erst recht, wenn man bedenkt, dass es nach der Gründung der Ur-DTM 1984 nicht weniger als 32 (!) Jahre dauerte, bis Lucas Auer 2016 am Lausitzring als erster Österreicher der Geschichte ein DTM-Rennen gewinnen konnte. Heuer aber haben Fahrer aus Österreich die meisten Siege in der DTM 2022 errungen – nämlich 3 (zwei Mal Preining, ein Mal Auer) – ebenso drei Mal ertönte die Hymne Südafrikas (für Sheldon van der Linde). Auf je zwei Siege kommen Piloten aus Deutschland, Neuseeland und der Schweiz, je einmal gewannen ein Brasilianer und ein Norweger.
Dass die Österreicher in der DTM 2022 so präsent sind, ist insofern beachtlich, da wohl weltweit keine höchstklassige Rennserie ein so internationales Starterfeld hat. Piloten aus Afrika, Asien, Ozeanien, Europa, Südamerika und Nordamerika standen in den vergangenen zwölf Monaten am Podium eines DTM-Rennens. Der Kufsteiner Auer und der Linzer Preining dabei als Sieger.
All das ist aber Vergangenheit, wenn es in Hockenheim in die Final-Rennen geht. Und die Meisterschaft aufgrund der unglaublich knappen Abstände (16 Zähler zwischen Sheldon van der Linde und dem Fünften Bortolotti bei 58 noch zu gewinnenden Punkten) gefühlt wieder bei Null beginnt. Denn, so unglaublich das klingt: Jeder der Top5-Fahrer kann aus eigener (!) Kraft Meister werden. Wer alle möglichen Punkte holt, ist sicher Champion – egal wie sich die Titelrivalen platzieren.
Und was alles noch aufregender macht: Der Hockenheimring gilt als jene Strecke im Kalender, in denen die Stärken und Schwächen der verschiedenen Fahrzeugkonzepte am ausgeglichensten verteilt sind.
Es gibt keinen logischen Favoriten, auch wenn Mercedes bei den Tests in den Longruns am stärksten wirkte – und Lucas Auer hier vor ziemlich genau einem Jahr gewonnen hat. Auch Thomas Preining hat einen Trumpf – niemand hat in der Haarnadelkurve eine so gute Traktion wie sein Porsche 911. Audi-Star Rene Rast, der als einziger Titelfavorit schon Meister in der DTM war (drei Mal!), glaubt, dass er besonders gute Qualifyings braucht. Denn wegen des Top-Speed-Nachteils sei es schwierig für Audi, im Rennen zu überholen. „Wir sind in den Kurven gut, aber das nützt nicht viel, wenn du davor auf den Geraden nicht vorbeigekommen bist.“
Bortolotti sieht alles als Pokerspiel mit vielen Faktoren, die man erst im Rennen einordnen wird können. Er sieht sich in zweifacher Hinsicht als entspannter Aussenseiter: „Wir sind Fünfter – und haben am wenigsten zu verlieren. Und wird sind die einzige Marke im Titelkampf, die nicht aus Deutschland kommt.“
Eine Beobachtung, die stimmt: 2022 matchen sich in einem Showdown der Giganten und erstmals (!) in der Geschichte des Motorsports in einer großen Klasse alle (!) vier deutschen Premium-Hersteller bis zum Schluß um den Titel: BMW! Mercedes! Porsche! Audi! Und das zum Teil mit brisanten Querverbindungen. So wechselt Rast nächste Saison von Audi zu BMW und zudem ist er indirekt im Management von seinem Rivalen Sheldon van der Linde. „Wenn ich den Titel nicht gewinne, hoffe ich natürlich, dass er ihn holt.“
Marken-Order ist seit heuer strikt verboten – alles Asse rechnen mit einem fairen Finale. Wobei Preining und Bortolotti gar keinen Teamkollegen haben bzw. meist keinen, der ganz vorne mitkämpfen kann. Van der Linde dagegen hat mit dem Salzburger Philipp Eng einen absoluten Klassemann an seiner Seite – und auch seinen für Audi fahrenden Bruder, der spannenderweise aber auch der Teamkollege seines Rivalen Rene Rast ist.
„Alles egal“, meint Luggi Auer, „man muss an diesem Wochenende selbst seine Leistung bringen."
Es sei das falsche Wochenende für „fünfte Plätze. Mit denen wird man in diesem Finale nicht Meister“. Insofern unterscheidet sich das Wochenende in Hockenheim ein bisschen vom Rest der Saison. „Denn das wir fünf nun vorne sind, haben wir uns vor allem durch unsere Konstanz erarbeitet“, weiß Auer.
Sein Landsmann Preining hatte diese Konstanz aber erst ab den dritten Rennen – aus der Lausitz war man nach vier Rennen noch mit null Punkten abgereist. Umso beeindruckender war die Aufholjagd, die dann erfolgte. Dass diese möglich war, spürte er übrigens weniger bei seinem Sieg am Porsche-freundlichen Norisring, sondern erst später am Nürburgring: „Da haben wir zwar keine besonderen Ergebnisse erzielt – aber es war das Wochenende, an dem wir merkten: Wir haben auch auf solchen Strecken richtig viel Speed!“ Ob mit den Erfolgen auch das Selbstvertrauen gestiegen sei? Die klare Antwort des Linzers: „Also am Selbstvertrauen hat es mir nie gefehlt.“
Mit Ausnahme von Rast ist es allen Top5-Piloten übrigens herzlich egal, wer Meister wird, falls sie es nicht selbst sind. Für sie, vielleicht auch für den Sechsten Luca Stolz, zählt nur mehr volle Attacke. Mit Regenrennen ist diesmal nicht zu rechnen, eher mit einem „Goldenen“ Herbstwochenende und Temperaturen um die 20 Grad. Vielleicht gibt es ja einen Österreicher, der am diesem historischen Wochenende Gold „schürfen“ wird. Denn in einem Punkt sind sich alle Titelaspiranten sicher: „Ein Titel wäre der größte Erfolg meiner Karriere, so wichtig ist die DTM.“ Nur Rast kann es sich erlauben, etwas präziser zu antworten: „So schön wie der erste DTM-Meistertitel fühlt sich keiner an.“ Wir werden sehen, ob am Sonntag Nachmittag ein anderen Pilot dem zustimmen kann – oder ob es Routinier Rast selbst ist, der den Pokal heim nach Bregenz fährt.
Fans erfahren es vor Ort in Hockenheim (Tickets unter www.dtm.com) und live im TV.
ProSieben überträgt live – und in Österreich diesmal auch wieder ergänzend ServusTV (auch im linearen Fernsehen, die Quoten bei den Rennen in Spielberg waren beeindruckend.)
Die Zeiten: Die Rennen beginnen jeweils um 13.30 Uhr, die Übertragungen je nach Sender zwischen 13 und 13.15 Uhr. Das Qualifying beginnt am Samstag um 10.05 Uhr, Sonntag um 10.10 Uhr.
Stand in der Fahrer-Meisterschaft: 1. Sheldon van der Linde (BMW) 130, 2. Auer (Mercedes) 119, 3. Rast (Audi) 118, 4. Preining (Porsche) 116, 5. Bortolotti (Lamborghini) 114, 6. Stolz (Mercedes) 102, 7. Müller (Audi) 93, 8. Olsen (Porsche) 89, 9. Kelvin van der Linde (Audi) 80, 10. Götz (Mercedes) 74. Weiters: 16. Eng (BMW) 56, 21. Schmid (Lamborghini) 9.
Diese Österreicher sind in Hockenheim in der DTM am Start:
#22 Lucas Auer (Kufstein, WINWARD Mercedes): „Es geht in der DTM viel zu eng zu, um Prognosen machen zu können. Taktieren ist aber in dieser Ausgangssituation unmöglich. Niemand wird heuer Meister, weil er in Hockenheim zwei Mal Fünfter wurde. Nur wer voll auf Sieg fährt, kann Meister werden. Und diese Strecke ist immer für ein Spektakel gut. Einen Vorteil hat keiner von uns – jeder einzelne kennz solche Momente, von Kart auf ist jeder schon das eine oder andere Mal in einem Titelfinale gewesen.“
#63 Mirko Bortolotti (Wien, Grasser Racing Team Lamborghini, für Italien fahrend): „In Hockenheim fahre ich irrsinnig gerne, die Strecke liegt mir. In der Meisterschaft haben logischerweise die, die mehr Punkte haben, die besseren Chancen. Wir können es entspannter angehen – zugleich ist es aber schön, noch im Titelrennen zu sein. Es ist schon beachtlich zu sehen, wie stark wir heuer sind – wenn man bedenkt, wo Lamborghini in der DTM im vergangenen Jahr noch war.“
#24 Thomas Preining (Linz, Team Bernhard Porsche): „Es ist schon toll, dass wir im Finale immer noch im Titelrennen sind – obwohl der Start in die Saison so schwierig war, wir nach zwei Wochenenden keine Punkte hatten. Das ist toll – zumal mir die DTM sehr viel bedeutet, ich sie als Kind schon immer verfolgt habe. In Hockenheim habe ich 25 Extra-Kilo nach meinem Sieg in Spielberg an Board, was nicht hilfreich ist. Aber normalerweise sollte das Auto gut funktionieren – und ich auch.“
#25 Philipp Eng (Salzburg/Mondsee, Schubert Team BMW): Der Salzburger ist trotz konstanter Top10-Ergebnisse und steigender Formkurve (zuletzt Fünfter in Spielberg) auf Platz 16 in der Meisterschaft abgerutscht – da ihm (auch von den Punkten her) noch ein Podium in dieser Saison fehlt. Von den fahrerischen Leistungen her wäre das aber überfällig – gerade auch in Hockenheim, wo er vor einigen Jahren noch als Instruktor arbeitete und in unmittelbarer Nähe, in Speyer, lebte. Der Fokus seines Teams wird wohl stark auf Sheldon van der Linde liegen.
#85 Clemens Schmid (Gries am Brenner, Grasser Racing Team Lamborghini): Der Tiroler darf auf einen guten Zieleinlauf nach einer beachtlichen Saison hoffen. Dass er sich als der zweitbeste Grasser-Pilot klar etabliert hat ist ebenso ein Erfolg wie erste Quali-Siege gegen seinen hochgeschätzten Kollegen Bortolotti.
Gottfried Grasser (Knittelfeld, Teamchef Grasser Racing Team Lamborghini): „Nach allem, was wir in diesem Jahr gesehen haben, wird das Finale ein absoluter Krimi – und wir zählen schon die Minuten runter. Für uns kann es nur eine Richtung geben – maximale Attacke. Mirko ist eine spektakuläre Saison gefahren und das Team hat eine tolle Arbeit abgeliefert. Nun wollen wir noch einmal alles geben!“
Tickets und weitere Infos für diesen Höhepunkt für alle österreichischen Fans gibt es unter www.dtm.com
motorprofis.at wird live und ausführlich direkt vom Hockenheimring berichten – mit den aktuellsten News und den besten Bildern.