AUTO-DESIGN BEI MAZDA
Wir haben es in der Hand
Und wer sich den Gestaltungsprozess von Mazda genauer anschaut, erkennt tatsächlich schnell einen Unterschied zu vielen Konkurrenten: Das Handwerk spielt – auch mitten im digitalen Zeitalter – eine große Rolle im Kreativprozess. Chefdesigner Ikuo Maeda bezeichnet die Handwerkskunst sogar als Herzstück der eigenen Designsprache: „In Japan sind wir davon überzeugt, dass Handwerker die Dinge, die sie herstellen, mit Leben füllen. Objekte, die diese Liebe und Aufmerksamkeit erhalten, besitzen eine Lebenskraft, eine Seele.“
Dementsprechend setzen bei Mazda nicht die Designer den Kreativprozess in Gang, sondern Tonmodellbauer. Einer dieser Kunsthandwerker ist Andreas Feussner, der in Mazdas europäischem Headquarter bei Frankfurt modelliert. Als ihn Motorprofis.at am Rande der Lifestylemesse „Design District 1010" zum Hintergrundgespräch – inklusive gemeinsamer Probearbeit – trifft, hat er kein Fahrzeugmodell dabei, sondern eine Skulptur. „Auch wenn man das Auto nur im Ansatz erkennt, damit beginnt die Reise“ sagt Feussner. Die Modelleure gießen quasi ihre Gefühle in die dreidimensionale Form einer Skulptur. Es entsteht eine Art übergeordnete Idee, eine Richtung.
Damit aus den künstlerischen Formen konkretes Automobildesign entsteht, geht die Skulptur weiter an die Designer, die sich in ihren ersten Skizzen davon inspirieren lassen.
Auf diese ersten Papierskizze der Designer folgt dann erneut das Handwerk: Im Wechsel von der 2D- auf die 3D-Ebene interpretieren eine Reihe von Tonmodellierern die Skizzen. Wobei ein entscheidender Unterschied zu vielen anderen Automarken, die natürlich auch mit Tonmodellen arbeiten, die Interpretation ist. Während Modelleure bei anderen Herstellern oft nur die Vorgaben der Designer umsetzten (dürfen), ist die Gestaltung bei Mazda striktes Teamwork: „Wir können unsere Ideen einbringen, sind in den Kreativprozess eingebunden“, sagt Feussner. Der Designchef des Konzerns fördert diese Zusammenarbeit gezielt.
Worauf die Tonmodellierer zum Beispiel speziell achten, sind Lichtreflexionen: „Wenn etwas mit der Oberfläche nicht stimmt, gibt es auch Probleme mit den Lichtspiegelungen.“ Daher werden auch mit Alufolie immer wieder Feinabstimmungen am Oberflächen-Finish vorgenommen. Manchmal lässt sich die Form auch nicht so umsetzen, wie sich die Designer das vorstellen, die Tonmodellierer machen dann einen alternativen Vorschlag.
Auf das erste fertige Tonmodell folgt die digitale Erstellung dreidimensionaler Modelle mit Software-Unterstützung durch die Designer, darauf wieder Tonmodelle. Zwei Jahre lang wird der Designprozess mit 1:4-Modellen vorangetrieben (Quarter Scale), dann ist es Zeit für das erste Modell in Originalgröße (Full Scale), das wie ein richtiges Auto aussieht und auch einen komplett ausgeführten Innenraum hat. Unter dem Ton verstecken sich Stahlrahmen, Holz und fester Styropor, die gesamte Konstruktion hat am Ende 1,5 Tonnen. Für die Modelleure ist das vor der Feinarbeit auch Schwerarbeit: „Am Anfang wird für ein Full-Scale-Modell vier bis fünf Tage mit vier bis fünf Mann nur Ton aufgetragen.“, erzählt Feussner.
Neben dem europäischen Designteam in Frankfurt, zu dem Feussner gehört, sind die Kollegen aus Shanghai (China), Yokohama und Hiroshima (Japan) sowie Los Angeles (USA) an der optischen Entwicklung eines Modells beteiligt. Für eine Weltmarke wie Mazda – die Japaner sind zum Beispiel am riesigen US-amerikanischer Markt auf Augenhöhe mit VW – ist es überlebenswichtig, immer Entwürfe aus allen großen Kulturkreisen zu haben.
Vier Jahre dauert es, bis ein neues Modelldesign komplett fertig und entschieden ist. In Vorbereitung auf die Serienproduktion kommen danach Designer, Modellbauer und Ingenieure noch einmal zusammen, damit im letzten Schritt nichts schiefgeht. Die Toleranzen zwischen Modell und Serienfahrzeug werden schrittweise verkleinert. Normalerweise liegen die Toleranzen für die Unterschiede zwischen dem Tonmodell und dem Serienauto zwischen einem und fünf Millimetern, bei Mazda sind es hingegen nur 0,1 bis 0,3 Millimeter.
Für welchen Stil die Designermarke Mazda mit ihrer KODO (Soul of Motion) getauften Designsprache heute steht, zeigt die neue Generation des Mazda3 wie kein anderes Auto: Weniger ist mehr. Einfachheit gilt in Japan als Zeichen für Raffinesse, und der 3er hebt diese Ästhetik mit seinen unkomplizierten, souverän-ruhigen Linien auf eine neue Stufe. Auch das Innendesign hat eine Einfachheit und zugleich Premium-Anmutung, die für die Kompaktklasse beeindruckend ist. Die bei Designern stets unbeliebten Lüftungsdüsen verschwinden erstmals aus dem Blickfeld und fast alle Bereiche, die Insassen berühren, wurden speziell weich oder glatt gemacht, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Welche Bedeutung Design bei Mazda bekommen hat, sieht man vielleicht auch an den kleinen Blößen, die sich ein Auto wie der Mazda3 gerne gibt. Zieht man für die flache A-Säule, die den 3er sportlich-niedrig wie kein anderes Auto der Kompaktklasse wirken lässt, nicht gerne ein bisschen den Kopf ein? Verzichtet man für diesen wunderbar geformten Rücken nicht umgeschaut auf ein größeres Heckfenster? Oder anderes gesagt: Verliert man einen deutschen Vergleichstest nicht mit Freude, wenn man dafür dieses Design bekommt?