GERALD ENZINGER ÜBER DIE F1-NACHWUCHSKRISE
Pragmatisiert als Formel-1-Pilot
Geschlossene Gesellschaft, Eintritt verboten! Die Formel 1 2024 wird zur Wiederholung: Eben hat Sauber mit Valtteri Bottas verlängert, Haas setzt weiter auf den heuer so schwachen Kevin Magnussen, Aston Martin auf den desaströsen Junior-Chef Lance Stroll. Zu wichtig ist Erfahrung bei der aktuellen Boliden-Generation. Die Folgen dieser kurzsichtigen Transferpolitik werden desaströs sein: Selbst Formel-2-Meister bekommen keine Chance – und in der Folge werden junge Talente immer weniger Sponsoren finden. Denn es macht einfach kaum noch Sinn, Nachwuchs-Rennfahrer zu fördern.
14.09.2023Fotos: Alfa Romeo F1, HaasF1, Aston Martin
Nicht einmal der langweiligste Formel-1-Titelkampf aller Zeiten ist so fad wie der Transfermarkt, der außer absurden und völlig unrealistischen Spekulationen (Hamilton zu Ferrari, Leclerc zu Aston Martin) rein gar nichts zu bieten hat.
2024 werden Ferrari, Mercedes, Aston Martin, Alpine, McLaren, Red Bull, Haas, Sauber/Haas und vermutlich Willams mit denselben Fahrern antreten wie 2023, auch AlphaTauri (das wieder einen neuen Namen bekommt) wird Fahrer einsetzen, die schon 2023 für das Team fuhren.
Mit anderen Worten: vermutlich werden alle (!) Teams in derselben Besetzung antreten, es sei denn, dass der glücklose Logan Sargeant bei Williams doch noch abgelöst wird oder das Sergio Perez bei Red Bull auf Drängen des Verstappen-Clans noch durch einen Fahrer wie Dani Ricciardo ersetzt wird.
In Wahrheit ist dieser allgemeine Stillstand eine Katastrophe, nicht nur weil es langweilig ist.
Spätestens jetzt da Nyck de Vries (immerhin Formel-2-Meister und Formel-E-Weltmeister) bei Alpha Tauri gescheitert ist, vertraut kein Team mehr Rookies. Ok, offensichtliche Wunderkinder wie Oscar Piastri schaffen es (nach einem Jahr Auszeit freilich) in die Formel 1, der Rest schafft es nicht einmal, wenn er – wie Felipe Drugovich – souverän Formel-2-Meister wird.
Theo Pourchaure etwa geht als klar Führender in das Formel-2-Finale in Abu Dhabi. Das Team von Sauber (das im Moment noch Alfa heißt), bei dem er seit Jahren im Nachwuchskader ist, hat ihn heute trotzdem nur als dritten Fahrer für 2024 präsentiert. Lieber fährt man weiter mit dem (durchaus respektablen) Chinesen Guanyu Zhou – und mit Valtteri Bottas, der zwar optisch cooler denn je ist, aber am Asphalt längst zum Alteisen zählt. Ein Pilot mit vielen offensichtlichen Schwächen, dessen beste Zeit vorbei ist und der nur mehr an ganz seltenen Tagen für seinen Job brennt. Doch das jahrzehntelange Talenteförderteam Sauber bleibt ein Fahrer-Gnadenhof. Erst dauerte die Karriere des coolen Räikkönen gefühlt um zumindest ein Jahr zu lange, nun wiederholt sich das Vertragsverlängerungsspiel mit seinem Landsmann Bottas.
Noch ärger ist es bei Haas. Das Team, das in zehn Jahren Formel 1, kein einziges Talent herausbrachte (auch wei man sich für den eigenen Testfahrer Charles Leclerc nie besonders interessierte), fährt mit den Oldboys Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen in ein weiteres Jahr. Was beim ehemaligen ServusTV-Experten Sinn macht (er hatte heuer tolle Qualifyings), beim Dänen – der mit wenigen Ausnahmen meinst hinterher fährt – aber eine echte Bankrotterklärung für die Formel 1 ist.
Wenn nicht einmal hier ein Talent eine Chance bekommt, wo dann? Warum hat Ferrari eine teure Akademie, wenn man doch keinen Fahrer hier platziert? Ok, auch weil Teamchef Günther Steiner nicht gerade den Ruf eines Talenteflüsterers hat, wie etwa sein Tiroler Kollege Franz Tost.
Williams hat mit der Verpflichtung von Alex Albon eine echten Lucky Punch gelandet – ein Talent, das Red Bull viel zu früh fallen gelassen hat. Dass der mittelprächtige Sargeant dank seiner US-Herkunft bleiben darf, ist traurig und quasi ein Fall von Latifi 2.0. Noch macht sich aber auch Mick Schumacher Hoffnungen, ebenso Aston-Martin-Testpilot Drugovich und der von Toto Wolff gepushte Frederic Vesti, der in der Formel 2 derzeit Zweiter ist.
Doch zu oft hat man kaum Mut, um mal einem neuen Piloten eine Chance zu geben. Alle setzen im Zweifel lieber auf Fahrer, die bereits an die Abläufe de Formel 1 gewöhnt sind.
Manche kriegen nie eine Chance – so gut Leute wie Robert Shwartzman (der einst bei Ferrari für Mick Schumacher geopfert wurde) oder eben Drugovich auch sind. Das wiederum führt zu einer Kettenreaktion und dazu, dass selbst Piloten, die in der Formel 4 starten, schon kaum Perspektiven haben. Nur echte Super-Talente wie Oliver Bearman oder wie Kimi Andrea Antonelli (der zuletzt in Spielberg fuhr, und der laut Idee von Mercedes direkt von der Formula Regional in die Formel 2 aufsteigen soll) haben eine echte Chance. Alle anderen müssen ihre potentiellen Sponsoren wider besseren Wissens überzeugen.
Dabei haben viele dieser Fahrer Potenzial. Wie eben Liam Lawson beweist, der im Sommer noch bei Red Bull Dani Ricciardo den Vortritt lassen musste, und der nun als dessen Ersatz durchaus beeindruckt.
Man braucht sehr viel Können, um in Zeiten wie diesen in die Formel 1 zu kommen – und viel, viel Glück im rechten Moment am rechten Ort zu sein. Aber eine konsequente Nachwuchsförderung sieht anders aus. Die Formel 1 und auch die FIA müssen endlich dafür sorgen, dass wenigstens der Formel-2-Meister seine Chance bekommt.
Und das anderseits durchschnittliche Fahrer nicht den Eindruck erwecken, in der Formel 1 wird man pragmatisiert – so man es einmal hinein geschafft hat.
2024 werden Ferrari, Mercedes, Aston Martin, Alpine, McLaren, Red Bull, Haas, Sauber/Haas und vermutlich Willams mit denselben Fahrern antreten wie 2023, auch AlphaTauri (das wieder einen neuen Namen bekommt) wird Fahrer einsetzen, die schon 2023 für das Team fuhren.
Mit anderen Worten: vermutlich werden alle (!) Teams in derselben Besetzung antreten, es sei denn, dass der glücklose Logan Sargeant bei Williams doch noch abgelöst wird oder das Sergio Perez bei Red Bull auf Drängen des Verstappen-Clans noch durch einen Fahrer wie Dani Ricciardo ersetzt wird.
In Wahrheit ist dieser allgemeine Stillstand eine Katastrophe, nicht nur weil es langweilig ist.
Spätestens jetzt da Nyck de Vries (immerhin Formel-2-Meister und Formel-E-Weltmeister) bei Alpha Tauri gescheitert ist, vertraut kein Team mehr Rookies. Ok, offensichtliche Wunderkinder wie Oscar Piastri schaffen es (nach einem Jahr Auszeit freilich) in die Formel 1, der Rest schafft es nicht einmal, wenn er – wie Felipe Drugovich – souverän Formel-2-Meister wird.
Theo Pourchaure etwa geht als klar Führender in das Formel-2-Finale in Abu Dhabi. Das Team von Sauber (das im Moment noch Alfa heißt), bei dem er seit Jahren im Nachwuchskader ist, hat ihn heute trotzdem nur als dritten Fahrer für 2024 präsentiert. Lieber fährt man weiter mit dem (durchaus respektablen) Chinesen Guanyu Zhou – und mit Valtteri Bottas, der zwar optisch cooler denn je ist, aber am Asphalt längst zum Alteisen zählt. Ein Pilot mit vielen offensichtlichen Schwächen, dessen beste Zeit vorbei ist und der nur mehr an ganz seltenen Tagen für seinen Job brennt. Doch das jahrzehntelange Talenteförderteam Sauber bleibt ein Fahrer-Gnadenhof. Erst dauerte die Karriere des coolen Räikkönen gefühlt um zumindest ein Jahr zu lange, nun wiederholt sich das Vertragsverlängerungsspiel mit seinem Landsmann Bottas.
Noch ärger ist es bei Haas. Das Team, das in zehn Jahren Formel 1, kein einziges Talent herausbrachte (auch wei man sich für den eigenen Testfahrer Charles Leclerc nie besonders interessierte), fährt mit den Oldboys Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen in ein weiteres Jahr. Was beim ehemaligen ServusTV-Experten Sinn macht (er hatte heuer tolle Qualifyings), beim Dänen – der mit wenigen Ausnahmen meinst hinterher fährt – aber eine echte Bankrotterklärung für die Formel 1 ist.
Wenn nicht einmal hier ein Talent eine Chance bekommt, wo dann? Warum hat Ferrari eine teure Akademie, wenn man doch keinen Fahrer hier platziert? Ok, auch weil Teamchef Günther Steiner nicht gerade den Ruf eines Talenteflüsterers hat, wie etwa sein Tiroler Kollege Franz Tost.
Williams hat mit der Verpflichtung von Alex Albon eine echten Lucky Punch gelandet – ein Talent, das Red Bull viel zu früh fallen gelassen hat. Dass der mittelprächtige Sargeant dank seiner US-Herkunft bleiben darf, ist traurig und quasi ein Fall von Latifi 2.0. Noch macht sich aber auch Mick Schumacher Hoffnungen, ebenso Aston-Martin-Testpilot Drugovich und der von Toto Wolff gepushte Frederic Vesti, der in der Formel 2 derzeit Zweiter ist.
Doch zu oft hat man kaum Mut, um mal einem neuen Piloten eine Chance zu geben. Alle setzen im Zweifel lieber auf Fahrer, die bereits an die Abläufe de Formel 1 gewöhnt sind.
Manche kriegen nie eine Chance – so gut Leute wie Robert Shwartzman (der einst bei Ferrari für Mick Schumacher geopfert wurde) oder eben Drugovich auch sind. Das wiederum führt zu einer Kettenreaktion und dazu, dass selbst Piloten, die in der Formel 4 starten, schon kaum Perspektiven haben. Nur echte Super-Talente wie Oliver Bearman oder wie Kimi Andrea Antonelli (der zuletzt in Spielberg fuhr, und der laut Idee von Mercedes direkt von der Formula Regional in die Formel 2 aufsteigen soll) haben eine echte Chance. Alle anderen müssen ihre potentiellen Sponsoren wider besseren Wissens überzeugen.
Dabei haben viele dieser Fahrer Potenzial. Wie eben Liam Lawson beweist, der im Sommer noch bei Red Bull Dani Ricciardo den Vortritt lassen musste, und der nun als dessen Ersatz durchaus beeindruckt.
Man braucht sehr viel Können, um in Zeiten wie diesen in die Formel 1 zu kommen – und viel, viel Glück im rechten Moment am rechten Ort zu sein. Aber eine konsequente Nachwuchsförderung sieht anders aus. Die Formel 1 und auch die FIA müssen endlich dafür sorgen, dass wenigstens der Formel-2-Meister seine Chance bekommt.
Und das anderseits durchschnittliche Fahrer nicht den Eindruck erwecken, in der Formel 1 wird man pragmatisiert – so man es einmal hinein geschafft hat.
Das Alfa-Team bekommt 2024 einen neuen Namen, setzt aber auf altbewährte Piloten: Zhou bleibt, Bottas auch – trotz mittelprächtiger Leistungen.
Die älteren Herren Magnussen und Hülkenberg haben leicht lachen – sie fahren auch 2024 in der F1. Und das trotz der bescheidenen Performance von Kevin Magnussen heuer.
Haas hat in all den Jahren seines Bestehens noch nie einen eigenen Nachwuchs-Fahrer nachhaltig in der Formel 1 etabliert.
Felipe Drugovich wurde souverän Meister in der Formel 2 im Jahr 2022. Trotzdem hat er nur bei Williams noch eine Mini-Chance auf ein Formel-1-Cockpit.
Felipe Drugovich durfte nur in Monza im Training fahren – bei Aston Martin.
Lance Stroll bringt 2023 null Leistung. Trotzdem bleibt er in der Formel 1. Und das nicht nur, weil er der Sohn des Teambesitzers ist. Auch, weil die Teams nur mehr erfahrene Piloten wollen.