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GERALD ENZINGER ÜBER VALENTINO ROSSI

GERALD ENZINGER ÜBER VALENTINO ROSSI

Sagen wir: Grazie, Rossi!

Herr Rossi hat für uns das Glück gefunden – und das ein Vierteljahrhundert lang. Nun geht die unglaublichste Karriere der Motorrad-Geschichte in die Zielgerade. Und jetzt und hier haben wir Österreicher die wunderbare Chance, sich vom begnadeten Rennfahrer und Entertainer Valentino Rossi zu verabschieden und den großen Artisten noch einmal in seinem Zirkus in Aktion zu sehen. Ein Tipp: Nutzen Sie diese Gelegenheit für die Ewigkeit!
Stellen Sie sich vor Sie können Sport-Zeitreisen machen.
Was würden Sie tun? Mathias Sindelar am Ball zaubern sehen, sich zu Ernst Happel in die HSV-Kabine des Meistercup-Finales schleichen, Franz Klammer am Patscherkofel anfeuern oder noch einmal Rene Arnoux und Gilles Villeneuve in Dijon kämpfen lassen?

Morgen können Sie für einen Tag zu träumen aufhören – und einfach nach Spielberg reisen. Und noch einmal, ein letztes Mal, in Österreich den aufregendsten Motorradfahrer der Geschichte in Schräglage sehen. Ein letztes Mal in seiner Karriere, die mehr als ein Vierteljahrhundert Motorrad-WM inkludierte, fährt Valentino Rossi in Österreich. Selbst wenn der König längst nur mehr mit im Mittelfeld seine Runden dreht: Sie sollten das auf keinen Fall verpassen.
Einen Artisten, der mit seinem Arbeitsgerät eine faszinierende Symbiose von Mensch und Maschine eingehen konnte, der in einer Seelenverwandtschaft mit dem Geschoß lebte.
Rossi siegte in der 125-ccm-Klasse, bei den 250ern und 500ern, er siegte in der MotoGP, mit Michelin- und Bridgestone-Reifen, mit Zwei- und Viertakt-Motoren, mit Aprilia, Honda und Yamaha.
Rossi konnte feiern wie kein anderer. Einmal hatte er auf seiner Ehrenrunde eine Gummipuppe am Sozius, er stieg verkleidet als Arzt, Astronaut oder als Sträfling auf das Podium. Auf seinem Hintern (also genau genommen: seiner Lederkombi) steht in bunten Buchstaben: „the doctor“. Weil er wie ein Chirurg arbeitet, wenn er sein Motorrad fährt, dachten die meisten. Dabei hat er sich diesen Namen aus einem banaleren Grund verliehen: Weil er im Telefonbuch so viele Rossis mit diesem akademischen Grad fand, er ist zu seinem Markenzeichen geworden.

Man könnte jetzt auch sagen: Rossi – der letzte MotoGP-Star, der noch wusste, was ein Telefonbuch ist.


Natürlich hat dieser Sport jede Menge an Legenden und an Helden erschaffen, aber Herr Rossi war es, der die MotoGP nachhaltig auf die Landkarte der Weltsportarten brachte – ein Verrückter und ein Professor und ein Zauberer und ein Clown, alles in einer Person. Viele Jahre musste die MotoGP mit der Angst leben, dass sie von einem Tag auf den anderen kollabieren würde, wenn Rossi aus dem Zirkus verschwinden würde.

Zum Glück fesselte ihn die Leidenschaft lange genug an die Rennstrecken, heute ist die MotoGP mit ihrer beeindruckenden Markenvielfalt, ihrer Ausgeglichenheit und ihren vielen tollen Typen bestens aufgestellt für die Zukunft – übrigens auch dank KTM, einem Team, dass so erfrischend in der Motorrad-WM auftritt.

Schade, dass Valentino der zehnte Titel nicht vergönnt war, da er im alles entscheidenden Generationen- Showdown der Götter mit beiderseits teuflischen Aktionen im direkten Duell gegen Marc Marquez verlor.

An der Legende Rossi hat das nichts geändert, wie auch nicht so manch erfolgloses Jahr oder ein gigantischer Steuerskandal, der keinen Tag was daran ändere, dass Vale der Gott des Volkes blieb.

Die Liebe zu Rossi reicht über alle Kontinente und durch alle Schichten  – Weltstars wie Lewis Hamilton verehren ihn ebenso wie Fußballstars, Schauspieler oder wie Fans in aller Welt. Reist man dieser Tage durch das Murtal sieht man an einigen Häusern und Gasthöfen oder Feuerwehr-Zentralen Rossi-Flaggen und beim Rennen morgen werden die Tribünen Gelb sein und die Zahl 46 allgegenwärtig.

Für Red Bull wurde der Monster-Star Rossi zum Glücksfall: Obwohl der Austrian GP (im Gegensatz zum Steiermark-GP, der viel zu kurzfristig zusätzlich ins Programm kam) hervorragend im Ticket-Vorverkauf lief, gab Rossis für Red Bull perfekt getimte Ankündigung, Ende der Saison zurückzutreten, noch einmal einen Schub.
Tausende haben sich in den vergangenen Tagen doch noch entschieden, heuer nach Spielberg zu kommen und dem König applaudierend Lebwohl zu sagen.
Er hat sich diese Abschiedstour mehr als verdient und keiner, der Sonntag kommt, wird es bereuen – selbst wenn es sentimental macht und traurig, falls er – wie zuletzt – phasenweise am Ende des Feldes liegen sollte.

Es ist der Abschied eines Artisten, wie ihn die Sportwelt in dieser Art nie zuvor gesehen hat.

Selbst wenn wir den Mensch Rossi sicher und den Fahrer Rossi vielleicht eines Tages hier wieder sehen: Als Teambesitzer sowieso, vielleicht aber auch als Rennfahrer.
Die wieder boomende DTM mit ihren GT3-Fahrzeugen könnte das perfekte nächste Lebensabschnitts-Umfeld für den Dottore sein.


Arrividerci, Dottore!
Grazie.
Valentino Rossi mit 42: der Körper hat die Spuren einer großen Karriere, die Augen sind die eines jungen Wilden, der nichts so sehr liebt wie die Raserei auf einem Gerät, dass er so beherrschte wie kein anderer vor ihm.Valentino Rossi mit 42: der Körper hat die Spuren einer großen Karriere, die Augen sind die eines jungen Wilden, der nichts so sehr liebt wie die Raserei auf einem Gerät, dass er so beherrschte wie kein anderer vor ihm.
Der neunte Titel sollte der letzte bleiben. Dann folgte eine Dekade des sanften Abstieges, die aus einem Artisten einen Menschen machte und das Menschliche an ihm formte den Mythos.Der neunte Titel sollte der letzte bleiben. Dann folgte eine Dekade des sanften Abstieges, die aus einem Artisten einen Menschen machte und das Menschliche an ihm formte den Mythos.
Von klein auf war Valentino anders, alles hatte eine bis dahin nie gesehene Leichtigkeit des Seins.Von klein auf war Valentino anders, alles hatte eine bis dahin nie gesehene Leichtigkeit des Seins.
Die 46, die auf und davon stürmte – hinein in die Sportgeschichte.Die 46, die auf und davon stürmte – hinein in die Sportgeschichte.
Marc Marquez mag ihn eines Tages an Rekorden übertreffen, in Sachen Charisma ist der Marc Marquez mag ihn eines Tages an Rekorden übertreffen, in Sachen Charisma ist der "Doktor" zu groß. Eine kleine Tragödie, dass sie sich in den gemeinsamen Jahren an der Macht wohl für immer entzweiten.
Die Generation von KTM-Star Miguel Oliveira macht Valentino längst das Leben schwer. Alles Leute, die ihn schon als KInder zutiefst verehrt hatten.Die Generation von KTM-Star Miguel Oliveira macht Valentino längst das Leben schwer. Alles Leute, die ihn schon als KInder zutiefst verehrt hatten.
Carmelo Ezpeleta machte die MotoGP zu einer Weltsportart – ohne Valentino Rossi wäre das unmöglich gewesen.Carmelo Ezpeleta machte die MotoGP zu einer Weltsportart – ohne Valentino Rossi wäre das unmöglich gewesen.
Ganz schön beweglich für einen Herren mit 42: Sonntag verabschiedet sich Österreich von Valentino Rossi. Kleiner Tipp: Seien Sie dabei!Ganz schön beweglich für einen Herren mit 42: Sonntag verabschiedet sich Österreich von Valentino Rossi. Kleiner Tipp: Seien Sie dabei!
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