INTENSIVTEST: TOYOTA PRIUS
Ist Prius besser als Diesel?
Nein, Sie schauen nur am falschen Ort. Seit dem Debüt des ersten Prius vor 20 Jahren hat Toyota über neun Millionen Hybridmodelle verkauft, davon entfallen knapp vier Millionen auf den Prius. In London, Tokio oder Los Angeles ist der Prius so normal wie bei uns der Golf. Die Österreicher reagieren zurückhaltender (oder langsamer?). Die Taxifahrer haben aber auch bei uns die Hybridvorteile erkannt, wie man in speziell in Wien sieht, viele schwören inzwischen auf den Prius.
Sieht schräg aus, der neue Prius. Wie wirkt das Design auf der Straße?
Nach zwei braveren Prius-Generationen wollte Toyota mit dem Hybridauto wieder stärker auffallen. Das ist definitiv gelungen: Die Front mit großen, spitzen Lichtern ist ebenso eigenwillig wie das schmale Heck mit scharfer Kante. Gefällt nicht jedem, erfreut aber die Individualisten! Fakt ist: Im Vergleich zu den Vorgängern ist der neue Prius länger, niedriger und vorne stärker herunterzogen – das lässt ihn insgesamt deutlich dynamischer wirken und reduziert den Luftwiderstand. Ein Designdetail, dass nicht unerwähnt bleiben soll, ist die spektakuläre Graphik der Rücklichter.
Der Innenraum ist ähnlich eigenständig wie die Karosserie, polarisiert aber weniger. Toyota hat eine sehr moderne und dennoch gemütliche Atmosphäre geschaffen – da schauen viele Konkurrenten aus der Kompakt- und Mittelklasse im Vergleich ziemlich alt aus. Vor allem die geringe Zahl der Knöpfe, aber auch der moderne Screen und die weichen, geschwungenen Formen des Armaturenbretts machen den Unterschied. Nach Kritik bei den Vorgängermodellen ist auch die Materialauswahl diesmal auffallend hochwertig und absolut im Premiumsegment angesiedelt. Die weiße Lederausstattung ist natürlich nicht die vernünftigste, aber sicher die schickste Variante.
Das Innendesign ist ein Highlight. Aber wie sieht es mit Bedienung und Benutzerfreundlichkeit aus?
Am Anfang ist man etwas eingeschüchtert, weil es zwei Displays gibt und speziell das obere etwas kleinteilig wirkt. Wie oft bei japanischen Autos, freundet man sich aber nach etwas Eingewöhnungszeit mit der Bedienung an und ist dann sogar begeistert – im Fall des Prius ist es vor allem die umfassende Lenkradsteuerung, die man zunächst üben muss, dann aber nicht mehr missen will. Dass die Armaturen in der Mitte und damit nicht ganz im Blickfeld platziert sind, kompensiert das Head-up-Display: Informationen wie die Geschwindigkeitsanzeige und Navigationshinweise werden in die Scheibe eingespiegelt, wo sie direkt im Blickfeld sind. Immer wieder genial, speziell in der Stadt und beim Einparken: Das blitzartige Wechseln von Vorwärts- zu Rückwärtsgang per Joystick – das gibt es so nur im Prius. Kleinere Kritikpunkte: Für die Laustärken-Regelung gibt es keinen Drehknopf mehr. Während sich der Fahrer mit der Lenkradfernbedienung helfen kann, ist das tippen am Touchscreen für den Beifahrer sehr lästig. Und das Ablagefach in der Mittelkonsole glänzt zwar mit einer kabellose Ladefunktion für Handys, kleinere Gegenstände können bei flotterer Fahrt aber leicht rausfallen.
Wie familientauglich ist der Prius, zum Beispiel im Vergleich mit einem Golf?
Der Prius ist länger, 30 Zentimeter mehr spürt man im Stadtverkehr. Andererseits ist das Ladevolumen gut: Der Basis-Wert ist noch eher bescheide, nach Umlegen der Fondlehnen spielt der Prius – durch die große Heckklappe – aber schon in der Mittelklasse mit.
Toyota hat beim Hybridantrieb wieder einen enormen Schritt gemacht, das wirkt sich im Verbrauch aus: Wenn man viel in der Stadt fährt, schafft man im großen Schnitt den Vierer vor dem Komma, auf jeden Fall aber niedrige Fünf-Liter-Werte. Der Autobahnverbrauch bei 130 km/h, bisher eine Schwäche des Prius, sinkt in der neuen Generation auf höhere Fünf-Liter-Werte. Der Verbrauch liegt also ungefähr am Niveau eines vergleichbaren Diesel – in der Stadt etwas darunter, auf der Autobahn etwas darüber.
Bei ähnlichem Verbrauch ist Hybrid aber dennoch sauberer als Diesel. Warum? Und wie wirkt sich das für den Kunden aus?
Die NOx-Emissionen sind beim Diesel viel höher. Der Diesel-Kunde in Österreich hat dadurch aber keine finanziellen Nachteile – allerdings wird nicht zuletzt seit der VW-Affäre über neue Lenkungs-Maßnahmen diskutiert, von höherer Diesel-Treibstoff-Besteuerung bis zu City-Fahrverboten für Selbstzünder. Auch wenn moderne Dieselmotoren keine Fahrverbote bekommen werden – langfristig ist der Hybrid durch die geringen Emissionen sicher im Vorteil.
Wie sieht es mit dem Fahrgefühl aus? Fährt sich der Prius jetzt besser als die Diesel-Konkurrenz?
Der Hybridpionier hat sich in der vierten Generation technisch nochmals stark verbessert, da hat der Diesel phasenweise keine Chance mehr: Speziell in der Stadt lässt die extrem leise und ruckfreie Fortbewegung mit dem Prius jeden Diesel alt aussehen, finden wir. Es ist ein anderes Fahrerlebnis und eine andere Komfortklasse: Man hört kein Brummen, spürt kein Ruckeln – der Prius ist innerstädtisch deutlich entspannter und edler zu fahren als die Selbstzünder der Kompakt- und Mittelklasse.
Immer gilt das aber nicht, oder?
Nein. Zunächst einmal muss man ein eher entspannter Fahrer sein, der vorausschauend fährt und den Wagen gerne gleiten lässt. Nur dann ist Hybrid passend und ein Vorteil. Wer ständig Zwischensprints macht, ist mit einem Benziner oder Diesel besser bedient. Das gilt auch für absolute Vielfahrer, die sehr viel auf der Autobahn unterwegs sind.
Warum ist der Diesel dann besser?
Wenn man auf der Autobahn und Überland richtig Kilometer macht und es vor allem immer wieder sehr eilig hat, lassen sich die forschen Zwischensprints nicht vermeiden, sei es um Lücken zu füllen oder Überholmanöver zu machen. Zwar hat sich der Prius unter Volllast dramatisch besser geworden, das für die stufenlose Automatik typische Aufheulen des Motors ist bei weitem nicht mehr so präsent, weg ist allerdings nicht.
Wie sieht es in den Kurven aus? Kann der Prius auch sportlich?
Überraschung, er kurvt sehr flott. Ohne den Prius jetzt gleich als Sportler zu bezeichnen, muss man feststellen, das er sich auch beim Handling dramatisch verbessert hat. Hauptgründe sind die präzisere Lenkung und der niedrigere Schwerpunkt.
Um es auf den Punkt zu bringen: Wer sollte Prius fahren, wer nicht?
Wer viel in der Stadt oder Peripherie fährt und im Auto Entspannung sucht, muss in der 30.000-Euro-Preisklasse derzeit eigentlich Prius fahren – denn angenehmer und sparsamer geht es für ihn nicht. Für absolute Viel- und Schnellfahrer passt der Prius dagegen weniger.
DATEN & FAKTEN
PRIUS 1,8 VVT-i Hybrid Lounge
(Juni 2016)Preis
€ 31.140,–Antrieb
Hybridantrieb aus 4-Zylinder-Benzinmotor (1.798 ccm, 72 kW/98 PS) und Elektromotor/Generator, Nickel-Metallhydrid-Batterie; Systemleistung 90 kW/122 PS; kontinuierlich variables Getriebe e-CVTAbmessungen
(L/B/H) 4540/1760/1470 mm, Radstand 2700 mm, Wendekreis 10,8 m, Tankinhalt 43 l, Kofferraum 501 l.Gewicht
Leergewicht 1400 kg, Zuladung 390 kg.Fahrwerte
Vmax 180 km/h, 0–100 in 10,6 s, Normverbrauch 3,3 l. CO2 76 g/km.Testverbrauch
4,6 l/100 km.MOTORPROFIS WERTUNG
Fahrspass
Vernunft
Preis-Leistung
Gesamturteil
Empfehlenswerte Extras
Extras braucht man nicht, in der Lounge-Ausstattung um 31.140 Euro hat der Prius alles was er optisch und technisch braucht, bis hin zu Feinheiten wie Head-up-Display, schlüsselloser Zugang, Bi-LED-Scheinwerfer, viele Sicherheits-Assistenten, Multimedia und schicke 17-Zoll-Felgen. Die zwei Sonderlackierungen (Permutt-Weiß, Emotional-Rot, je 960 Euro) und das VIP-Paket (mit Lederausstattung, Luxus-Soundsystem, Navi, Einparkautomatik, induktiver Handy-Ladestation Regensensor, gesamt 3.360 Euro) sind reine Draufgaben.
Das taugt uns
Dass der Prius speziell in der Stadt eine neue Komfortklasse ist, die weit über den Dieselmodellen der Kompakt- und Mittelklasse anzusiedeln ist. Dass auch der Innenraum mit seinem modernes Premium-Feeling vom Mainstream dieser Preisklasse abrückt.
Bitte nachbessern
Mancher wird sagen, beim Außendesign könnte man einiges nachbessern. Anderen gefällt die Exzentrik.
Unser Extra-Tipp
Scheuklappen öffnen, Hybrid ausprobieren.