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ERSTER TEST: SEAT MII ELECTRIC

ERSTER TEST: SEAT MII ELECTRIC

Viva E-spaña!

Bei Seat kommt die Elektromobilität im Alltag an: Mit einem soliden Kleinwagen, der kaum mehr als ein Benziner kostet. Mit Risikoausschluss. Und mit einem Bahnticket für die Langstrecke. Motorprofis.at hat den E-Spanier getestet – und durchgerechnet.
Seat setzt bei seinem Elektroauto auf den altbekannten Mii. Werden die Spanier jetzt konservativ? Oder sparsam?
Konservativ sicher nicht. Bei Seat biegen spektakuläre neue Projekte wie der vollelektrische el-born und der teilelektrische Formentor in die Zielgerade. Auch der neue Leon steht schon flott gestylt und hybridisiert in den Startlöchern. Das nächste Jahr wird also spannend bei den spanischen Aufsteigern, die in Österreich aktuell drittstärkste Kraft nach VW und Skoda sind.
Sparsamkeit ist beim Mii-Projekt dagegen schon eher ein Thema. Um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen, nimmt Seat ihr wahres Problemfeld ins Visier – den Preis. Dabei erhöht die bewährte, entwicklungstechnisch quasi abgeschriebene Mii-Technik den Spielraum (das gilt nicht für die Batterien, die neu sind). Und der Gesetzgeber hilft auch nach, nachdem die EU ab Jänner 2020 Strafzahlungen für Autos mit höherem CO2-Ausstoß verlangt, subventioniert Seat lieber eigene Elektroautos statt Bußgelder in Brüssel einzuzahlen.
Seat nimmt das wahres Problemfeld der Elektrotechnik ins Visier – den Preis. Die bewährte Technik erhöht den Spielraum, die Batterien sind aber ganz neu.Seat nimmt das wahres Problemfeld der Elektrotechnik ins Visier – den Preis. Die bewährte Technik erhöht den Spielraum, die Batterien sind aber ganz neu.
Was bedeutet das konkret für den Preis?
Der neue Mii electric ist das günstigste Elektroauto am Markt. Mit Abstand. Sogar die günstigsten Konkurrenten wie der Peugeot iOn electric – mit nur 100 Kilometern Reichweite ein Auslaufmodell – liegen 1000 Euro über dem Mii electric. Ähnlich günstig und leistungsfähig sind nur die bauglichen Konzernbrüder von VW und Skoda, die wohl rund 500 bis 1000 Euro mehr kosten werden.
Konkret ruft Seat einen Preis von 17.690 Euro auf, wobei in der Liste 20.990 Euro stehen, aber 3.300 Euro an Elektro-Förderungen postwendend wieder abgezogen werden (1.500 davon zahlt der Staat, den Rest der Importeur). Die wesentliche Ausstattung ist da bereits enthalten.
Damit bewegt sich der Mii electric in normalen Kleinwagen-Preisregionen, circa im Bereich des Ibiza.
 
Seat legt aber noch ein Präsent oben drauf, das es beim Autokauf so noch nie gegeben hat. Was ist es?
Seat schenkt den österreichischen Mii-Kunden ein Jahr kostenloses Bahnfahren mit der ÖBB. Nach dem Motto „Kurstrecken mit dem E-Auto, Langstrecken mit dem Zug“ werden Individual- und öffentlicher Verkehr konkret verknüpft. „Wir wollen Mobilität verkaufen. Und wir sprechen an, was Elektromobilität wirklich kann“, erklärt Österreich-Chef Wolfgang Wurm, der den Deal mit der ÖBB verhandelt hat.
Dass die ÖBB Österreichcard Classic nur für ein Jahr inklusive ist, liegt an ihrem Preis, sie ist stolze 1.900 Euro wert. Dafür kann man aber 365 Tage unbegrenzt in ganz Österreich Bahnfahren, die Sitzplatzplatzreservierungen sind inklusive. Und wenn es trotzdem mal zu voll wird, kostet das Upgrade in die 1.Klasse nur die Hälfte.
Elektromobilität für Jedermann: Der Mii ist das günstigste E-Auto am Markt und Seat übernimmt in der All-inclusive-Variante auch das Restwertrisiko.Elektromobilität für Jedermann: Der Mii ist das günstigste E-Auto am Markt und Seat übernimmt in der All-inclusive-Variante auch das Restwertrisiko.
In gut vier Stunden voll: Mit Dreiphasenwechselstrom schafft der Mii 7,2 kW Ladeleistung. Gleichstromladen mit 40 kW dauert eine Stunde für 80 Prozent.In gut vier Stunden voll: Mit Dreiphasenwechselstrom schafft der Mii 7,2 kW Ladeleistung. Gleichstromladen mit 40 kW dauert eine Stunde für 80 Prozent.
Klingt sehr gut, aber viele Kunden fürchten beim Elektroauto auch den späten Preisschock. Weil sich die Technik rasant weiterentwickelt, könnte das eigene Auto beim Wiederverkauf plötzlich nur noch wenig wert sein, so zumindest die weit verbreitete Angstvorstellung. Hat Seat darauf eine Antwort?
Die Spanier haben gegen diese Ängste ein Paket geschnürt, das einem Risikoausschluss gleichkommt. Damit geht es ohne Anzahlung los und für 249 Euro monatlich ist alles inklusive, also neben der Haftpflicht- und Kaskoversicherung auch die Servicekosten. Der Kunde muss also nur noch die Winterreifen und den Strom zahlen. Und nach fünf Jahren nimmt Seat das Auto zurück, das Restwertrisiko entfällt somit.
 
Wie man hört, lässt der Elektroantrieb die Mii-Nachfrage nach oben schnellen…
Seat verkauft den Benziner-Mii seit 2012 mit mäßigem Erfolg und stellt ihn jetzt auch ein. Für das neue Elektromodell dagegen hat der österreichische Importeur die Bestellmenge von vormals rund 100 gleich auf 400 Stück pro Jahr erhöht, aber das war zu vorsichtig: aufgrund der hohen Nachfrage wurde nun auf 800 verdoppelt.

Wie gut ist der Mii electric technisch aufgestellt?
Das Konzept basiert zwar grundsätzlich auf dem 2014 eingeführten Konzernbruder VW e-up!, aber die Leistungsfähigkeit ist eine völlig andere als vor fünf Jahren: Statt 160 Kilometer Reichweite um 27.000 Euro, wie in den Anfangszeiten, gibt es heute 260 Kilometer um gut 17.000 Euro.
Die Batterie hat eine Kapazität von 32,2 kWh. Die offizielle Reichweite nach dem WLTP-Zyklus, der deutlich realistischer als das frühere NEFZ-Verfahren ist, beträgt 250 bis 259 Kilometer im kombinierten Stadt-Land-Autobahn-Mix. Für den Stadtverkehr werden sogar 349 bis 358 Kilometer ausgewiesen. Unsere ersten Testfahrten deuten tatsächlich auf einen recht niedrigen Realverbrauch hin, man sollte also auch mit ein eingeschalteter Heizung/Klimaanlage auf 200 Kilometer im Mix und 300 Kilometer in der Stadt kommen. Vor allem für viele Städter heißt das in der Praxis: nur alle zwei Wochen laden, wenn überhaupt.
 
Wie schnell lässt sich das Auto aufladen?
Mit Dreiphasenwechselstrom (AC) schafft der Mii 7,2 kW Ladeleistung und ist in gut vier Stunden voll. Beim Gleichstromladen (DC) mit 40 kW ist man nach einer Stunde auf 80 Prozent. Beide Arten von Ladesäulen haben zum Beispiel in Wien sowohl smatrics als auch Wien Energie im Programm. Interessant ist der Blick auf die Preise: Wer den finanziellen Idealfall erwischt, also AC-Laden mit 11 kW und Nachtstromtarif, zahlt 70 Cent pro Stunde, kann also auf rund 3 Euro für 300 Stadt-Kilometer kommen. Am Tag allerdings zahlt man 2,90 pro Stunde, also rund 12 Euro fürs Volltanken. Beim Schnelllader sind es generell 15 Euro pro Stunde. Klar ist: speziell mit strategisch geschicktem Laden betreibt man einen Mii electric deutlich günstiger als einen Benziner.
Wer die Gelegenheit hat, kann sich zuhause eine Wallbox installieren lassen, für Kunden aller VW-Marken erledigt das in Österreich künftig die neue Konzerntochter Moon. Mit Muße und entsprechendem Ladekabel (Aufpreis 175 Euro) lässt sich der Mii aber auch an der normalen Haushaltssteckdose mit 2,3 kW laden.
Mit der App Seat Connect lässt sich das Laden planen und die Klimaanlage/Heizung fernsteuern, wenn das Auto in der Sonne parkt oder im Winter kalt ist.Mit der App Seat Connect lässt sich das Laden planen und die Klimaanlage/Heizung fernsteuern, wenn das Auto in der Sonne parkt oder im Winter kalt ist.
Wie fährt sich der Mii electric?
Wie immer ist die Elektrovariante dem vergleichbaren Benziner fahrerisch überlegen. Ohne Anfahrschwäche in unter vier Sekunden auf 50 km/h, das bedeutet richtigen Fahrspaß in der Stadt. Weil es kaum Geräusche und keine Vibrationen gibt, erhöht sich der Komfort spürbar. Auf den Testfahrten waren die 83 PS aber auch für Landstraßen-Überholmanöver und das Mitschwimmen auf der Autobahn gut – denn auch in der E-Version wiegt der Mii nur rund 1.200 Kilo.
Und einmal mehr zeigt sich auch, dass immer größerer Autos in der Stadt grundsätzlich Schwachsinn sind. Der unverändert 3,55 Meter kurze und zudem sehr übersichtliche Mii dribbelt durch den dichten Verkehr und braucht weniger Stauraum als 99,9 Prozent (grobe Schätzung) der anderen Autos. In nicht wenigen Situationen hilft auch die geringe Breite von 1,64 Metern.

Wie wirkt es sich aus, dass der Mii schon seit 2012 gebaut wird, also kein neues Auto mehr ist?
Okay, den großen Glamour strahlt das Design jetzt nicht aus. Aber der Mii ist auch nach sieben Jahren ein Vorzeige-Pragmatiker, in dem sich auch große Passagiere wohl fühlen, weil sie erstaunlich gut Platz haben. Keine Selbstverständlichkeit in der kleinen Klasse. Klar ist auch: wenn zwei Große vorne nebeneinandersitzen, treffen sich die Ellenbogen mitunter, zaubern kann der Mii nicht.
Der Kofferraum ist bei aufgestellter Rückbank immerhin groß genug für den Wocheneinkauf und bei umgeklappter Rückbank bereit für den Wochenendtrip.
Auch auf Landstraßen und Autobahnen zeigt sich, dass der Mii, wie alle Autos aus der Piech-Ära, besonders solide ist – die Windgeräusche sind für einen Kleinen niedrig, das Fahrwerk stabil. Alter muss kein Nachteil sein.
Wirklich spürbar ist es – das Alter – eigentlich nur im Multimedia-Bereich, den es hier in der heute etablierten Form mit Touchscreen schlicht nicht gibt. Stattdessen ist ein klassisches Radio mit dazu kombinierter Freisprecheinrichtung und USB-Anschluss verbaut. Darüber eine Handyhalterung.
Auch wenn es im Fond relativ eng ist, in der ersten Reihe fühlen sich auch große Passagiere wohl, weil sie gut Platz haben. Keine Selbstverständlichkeit.Auch wenn es im Fond relativ eng ist, in der ersten Reihe fühlen sich auch große Passagiere wohl, weil sie gut Platz haben. Keine Selbstverständlichkeit.
Der Kofferraum ist bei aufgestellter Rückbank immerhin groß genug für den Wocheneinkauf und bei umgeklappter Rückbank bereit für den Wochenendtrip.Der Kofferraum ist bei aufgestellter Rückbank immerhin groß genug für den Wocheneinkauf und bei umgeklappter Rückbank bereit für den Wochenendtrip.
Weil es kein klassisches Multimedia-System gibt, greift man auf Handy-Apps von Seat zurück. Wie genau funktioniert das?
Per DriveMii-App lassen sich Musik, (Web-)Radio und Navigation auf dem Smartphone nutzen. Das ist kleinteiliger als mit integriertem Touchscreen, funktioniert aber auch. Zudem ist der Mii als erstes Modell mit Seat Connect ausgestattet, einer Konnektivitätslösung, die den Fernzugriff auf das Fahrzeug über das Smartphone ermöglicht. Übertragen werden zum Beispiel Restreichweite, Parkposition oder Infos zu Türen und Scheinwerfern. Zudem lässt sich der Ladevorgang planen und die Klimaanlage/Heizung fernsteuern, wenn das Auto zum Beispiel bei Hitze in der Sonne steht oder im Winter vorgeheizt werden soll.
 
Unterscheiden sich die Elektrovarianten optisch von den früheren Benzinen?
Nur im Detail. Neue Felgen, dezente electric-Schriftzüge und ein neues weißes Armaturenbrett sind die augenscheinlichsten Änderungen. Sitze und Dachhimmel sind einheitlich schwarz, generell ist alles eher unspektakulär, aber stilsicher gelöst.
Apropos Stil, per Kontrast-Lackierung lässt sich der Mii individualisieren, für nur 170 Euro Aufpreis werden Dach und Außenspiegel in Schwarz lackiert.

 

Recht niedriger Realverbrauch beim ersten Test: Man sollte also locker auf gut 200 Kilometer Reichweite im Mix und 300 Kilometer in der Stadt kommen.Recht niedriger Realverbrauch beim ersten Test: Man sollte also locker auf gut 200 Kilometer Reichweite im Mix und 300 Kilometer in der Stadt kommen.

Wie gut ist die Ausstattung?
Schon die Basisausstattung geht deutlich über die essentiellen Features hinaus, zum Beispiel mit Klimaautomatik, Sitzheizung, Tempomat, Parkhilfe, Verkehrszeichenerkennung und Spurhalteassistent. Die 1000 Euro teurere electric Plus-Variante kauft man hauptsächlich wegen den Alufelgen und der geteilt klappbaren Fondbank. Zusätzliche Aufpreisposten gibt es fast keine.
 
Wie fällt das Fazit zum Mii electric aus?
Viva E-spaña! Seat bringt einen hochsoliden Elektro-Kleinwagen, der kaum mehr als ein Benziner kostet und kein Restwert-Risiko hat. Dass die Kunden zudem ein Jahr kostenlos Bahnfahren, verknüpft Individual- und öffentlicher Verkehr. So kommt Elektromobilität im Alltag an.
Testfazit von Motorprofis-Redakteur Fabian Steiner: „Hochsolider Elektro-Kleinwagen, der kaum mehr als ein Benziner kostet und kein Restwert-Risiko hat. So kommt Elektromobilität im Alltag an.Testfazit von Motorprofis-Redakteur Fabian Steiner: „Hochsolider Elektro-Kleinwagen, der kaum mehr als ein Benziner kostet und kein Restwert-Risiko hat. So kommt Elektromobilität im Alltag an."
Der unverändert 3,55 Meter kurze und zudem sehr übersichtliche Mii dribbelt durch den dichten Verkehr und braucht weniger Stauraum als meisten …Der unverändert 3,55 Meter kurze und zudem sehr übersichtliche Mii dribbelt durch den dichten Verkehr und braucht weniger Stauraum als meisten …
… anderen Autos. In nicht wenigen Situationen hilft auch die geringe Breite von 1,64 Metern. Denn soviel Parkplatz gibt es wirklich nur beim Fotoshooting.… anderen Autos. In nicht wenigen Situationen hilft auch die geringe Breite von 1,64 Metern. Denn soviel Parkplatz gibt es wirklich nur beim Fotoshooting.
Neues weißes Armaturenbrett als augenscheinlichste Änderungen. Sitze und Dachhimmel sind einheitlich in Schwarz.Neues weißes Armaturenbrett als augenscheinlichste Änderungen. Sitze und Dachhimmel sind einheitlich in Schwarz.
Die Sitze werden schon der Basisversion beheizt.Die Sitze werden schon der Basisversion beheizt.
Gold auf Weiß: electric-Schriftzug im Innenraum.Gold auf Weiß: electric-Schriftzug im Innenraum.
Und wenn die Autofahrt endet, geht es öffentlich weiter: Seat schenkt den österreichischen Mii-Kunden ein Jahr kostenloses Bahnfahren mit der ÖBB.Und wenn die Autofahrt endet, geht es öffentlich weiter: Seat schenkt den österreichischen Mii-Kunden ein Jahr kostenloses Bahnfahren mit der ÖBB.

DATEN & FAKTEN

Seat Mii electric

(November 2019)

Preis

20.990 Euro. Abzüglich Boni 17.690 Euro. Als All-inclusive-Paket 249 Euro pro Monat (keine Anzahlung, inklusive Haftpflicht- und Kaskoversicherung sowie Servicekosten, mit garantiertem Restwert nach fünf Jahren).

Antrieb

E-Motor mit 83 PS, Drehmoment 212 Nm. Lithium-Ionen-Batterien, Kapazität 32,3 kWh. Ladezeit bei DC 40 kW eine Stunde, bei AC 7,2 kW vier bis viereinhalb Stunden.

Abmessungen

Länge 3,56 m, Breite 1,64 m, Höhe 1,48 m, Radstand 2,41 m. Wendekreis 9,8 Meter. Kofferraum 251 bis 923 Liter.

Gewicht

Circa 1200 Kilo.

Fahrwerte

0-50 km/h in 3,9 sec, 0-100 km/h in 12,3 sec, Vmax 130 km/h. Reichweite nach WLTP-Zyklus kombiniert 250 bis 259 km, im Stadtverkehr 349 bis 358 km.
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