SEBASTIEN OGIER EXKLUSIV
Interview mit einem Weltstar
Sie waren vor Ihrer großen Rallye-Karriere in der Formel 1 – allerdings als Streckenposten.
Das stimmt. Früher war ich ja Schilehrer in Serre-Chevalier. Da kommt auch Luc Alphand her. Ich hatte immer eine Passion für Autos und für Mechanik. Dann habe ich Leute vom Automobilklub in Monte Carlo getroffen, die mir die Möglichkeit gaben, beim Grand Prix als Streckenposten zu arbeiten – 2005 und 2006, denke ich. So wurde ich Marshall und für mich war das eine fantastische Erfahrung so nah an den Stars zu sein, und alles aus der ersten Reihe zu erleben. Ich habe es geliebt!
Wo sind Sie gestanden?
Ich war vor dem Casino, also bei dieser schwierigen Linkskurve. Oft waren Crashes direkt vor uns. Ich war Feuer-Marshall.
Rallye-Fahrer und Fans haben oft nicht so viel Respekt vor Rundstrecken-Piloten, sagt man.
Ich hatte immer großen Respekt vor den Formel-1-Piloten, es ist nur eine andere Welt. Wir müssen uns natürlich besonders vielen unterschiedlichen Herausforderungen stellen. Aber sie sind in der Lage, sehr ans Limit zu gehen. Sie müssen genau sein, sehr präzise beim Fahren. Ehrlich: Von mir wirst du nie was respektloses über Rundstreckenfahrer hören. Sie schätzen uns sehr, aber ich weiss auch, was die leisten müssen.
Ich habe immer gehört, dass Sie ein großer Fan von Ayrton Senna waren. Wie haben sie seinen Teamkollegen Gerhard Berger wahrgenommen?Ich habe mich sehr gefreut, Gerhard kennenlernen zu dürfen. Auch weil ich wie mein Vater immer ein großer Fan von Ayrton war und die beiden nicht nur Teamkollegen waren, sondern auch ziemlich gute Freunde. Es war nett, ihn in Tirol zu besuchen, er hat ja einen Sohn der ähnlich alt ist wie mein Kind. Vielleicht fahren sie einmal gegeneinander (schmunzelt).
Philipp war mein Teamkollege, als ich 2014 in Spielberg im Supercup gefahren bin. Schon dort ist er sehr stark gefahren. Seine erste Saison in der DTM ist jetzt auch sehr gut.
Er war sehr stolz, als Sie ihn als Teamkollegen damals viel gefragt haben.
Klar, ich hatte und ich habe viel zu lernen auf der Rundstrecke. Da ist es gut, wenn dein Teamkollege gut ist. Jetzt ist Lucas mein Kollege, er hatte ein bisschen eine Up-and-Downsaison heuer. Aber er ist sehr, sehr schnell. Ich bin sicher, er wird mir gemeinsam mit Mortara viele Tipps geben.
Welche Abschnitte am Red Bull Ring sind eine besondere Herausforderung?
Die zwei schnellen Linkskurven etwa oder die letzten beiden, einige kann man sehr schlecht einsehen. Ich hoffe, trotzdem konkurrenzfähig zu sein.
Sie sind ein guter Freund von Mercedes-Chef Toto Wolff, der ja seinerseits ein kompletter Rallye-Fan ist und selbst Erfolge im Rallye-Auto hatte - etwa als Vizestaatsmeister in Österreich.
Wir haben uns vor einigen Jahren bei der FIA-Weltmeisterehrung getroffen und uns sofort sehr gut verstanden. Wir sind in Kontakt geblieben. Hin und wieder verbringen wir Zeit zusammen in Kitzbühel, wir gehen biken. Es ist immer wieder nett, ihn zu sehen. Natürlich ist diese Verbindung ein Grund, warum ich nun hier für Mercedes DTM fahren kann.
Viele große Rallyefahrer – Walter Röhl, Sebastien Loeb – sind irgendwann einmal Tourenwagen-Meisterschaften gefahren.
Ja, ich denke wir alle lieben Wettbewerb, wir mögen neue Herausforderungen. Und wir mögen es, einmal was komplett anderes zu fahren. Immer wenn ich in einem Rennwagen sitze – wie jetzt in der DTM – fühle ich mich wieder wie ein Student. Du musst neue Informationen sammeln, dich an die Strecke gewöhnen, gerade im Rennen. Ich bin sicher, ich werde am Start extrem hohen Puls haben, es ist immer ein ganz außergewöhnlicher Moment. Für mich beim ersten Mal in der DTM erst recht.
Wie groß ist die Umstellung, nun gegen andere Fahrer direkt zu fahren. Gerade in der DTM ist Kontakt zwischen mehreren Autos fast gewiss.
Ja, das ist besonders aufregend.
Was mögen Sie an der DTM am meisten?
Es ist eine sehr wettbewerbsfähige Serie und die Autos sind einfach aufregend: der Sound, das Bremsen, die Kurvengeschwindigkeiten. Wesentlich aufregender als etwa GT-Autos. Ich hoffe, es geht so weiter mit der DTM. Schauen wir uns aber jetzt mal das erste Rennen an.
Zurück in den Rallyesport. Eine Zeit lang waren sie Weggefährte von Andreas Aigner. Welche Erinnerung haben Sie da?
Wir haben uns nie richtig näher kennengelernt. Besser kenne ich Raimund Baumschlager, der ja sowohl bei Skoda als bei Red Bull einen Link zu mir hatte. Und ein bisschen auch Manfred Stohl.
Was ich ja spannend finde: Sainz, Blomqvist – wie es scheint, neigen die Söhne grosser Rallye-Fahrer eher dazu, auf der Rundstrecke Karriere zu machen. Warum ist das so?
Gute Frage. Ja, warum? Ich denke, es hat damit zu tun, dass es nicht leicht ist, exakt das zu machen, was dein Vater sehr erfolgreich gemacht hat. Das ist deine Bürde und setzt Dich unter Druck. Die Fußstapfen sind groß, ebenso die Erwartungen. So ein Leben ist schwierig. Das ist der eine Grund, der andere ist wohl ein simpler: Wenn man seine Karriere früh beginnt, muss man wohl zuerst in ein Kart. Und wenn du einen Dad hast, der dir diese Chance gibt, dann ist das zugleich natürlich eine Art Richtungsentscheidung. Hätte ich diese Kart-Chance am Anfang auch gehabt, hätte ich mich vielleicht auch in diese Richtung entwickelt. Aber da ich sie nicht hatte, begann ich viel später und wurde zum Rallyefahrer. Das ist wohl der Grund, warum viele Rallye-Söhne eher auf die Rundstrecke kommen. Bei meinem Sohn wäre es mir ja eigentlich am liebsten, er würde was komplett anderes machen (lacht). Vielleicht eher Tennis. (Gedankenpause) Er soll tun, was er will.
In der Rallye-WM sehen wir heuer eine sehr ausgeglichene Meisterschaft – und einen guten Mix an Autos und Typen.
Das stimmt! Man hat es noch nicht oft gesehen, dass vier Teams das Potenzial hatten, immer wieder zu gewinnen. Die Autos sind knapp zusammen, das macht die Sache spannend. Wobei es für mich nach wie vor einen Punkt gibt, der mich stört: Das ist die Startreihenfolge. Gerade jetzt, wo du so eine Vielfalt vorne hast, sollte man fair gegeneinander kämpfen können. Und eine vorgelegte Startreihenfolge, wo einer immer als Erster der Dumme ist, ist kontraproduktiv und nicht fair. Aber es macht die Meisterschaft interessant. Wie haben 14 Rallyes, und jede für sich ist spannend und liefert neue Herausforderungen.