FORMEL-E-LEADER SAM BIRD (JAGUAR)
Das ist Sam Bird
Für ganz England war es ein Sonntag zum Weinen – so sehr schmerzt die Niederlage im Elfer-Drama gegen Italien. Aber nicht für ganz England war es ein Tag der Niederlage – ganz im Gegenteil. Das schon die ganze Saison bärenstarke Raubkatzen-Team von Jaguar Racing erlebte in der Formel E einen nahezu perfekten Sonntag in New York. Erst gelang es Sam Bird und Mitch Evans einen in der Formel E höchst seltenen Doppelsieg im Qualifying zu erzielen und so eine reine erste Jaguar-Startreihe zu errreichen. Dann gewann Bird das Rennen souverän, Evans wurde nach einem Mauer-Kuss am Ende noch von Platz 2 auf 13 zurückgereicht. Doch Bird führt nun die WM an, und das ehe es für Jaguar zum allerersten Home-E-Prix nach London geht. Nur sein Funkspruch "It´s coming home" bezieht sich nun doch nur auf Jaguar und die Formel E, nicht – wie von Sam mitgemeint – auf das englische Nationalteam. Sehr wohl ist es aber Sam, der sich heimischer denn je fühlt.
Ein Bird im Höhenflug – und das acht Jahre nachdem seine Karriere im Rennsport schon zu Ende schien.
Damals saß er in einem kalten Ein-Zimmer-Appartement im südenglischen Hersham. Die Heizung hatte man ihm abgestellt, weil er (wohl eher aus Chaos-Gründen) die Miete nicht gezahlt hatte. Bird wusste nicht mehr, wie es weitergehen sollte. „Wenn ich ehrlich bin, besaß ich Anfang 2014 nichts, absolut nichts“, erzählte er der „Sun“ über die schwierigste Zeit in seinem Leben. Und von dem Tag, als er seine Mutter anrief: „Mum, hilf mir da raus!“
Dabei war er seinem großen Traum von der Formel 1 schon so nah. Als Mercedes-Testfahrer arbeitete er 2012 und 2013 an und in den Autos von Lewis Hamilton und Michael Schumacher. Lewis fuhr Bird auf seinem Roller zur Teststrecke. In der GP2 gewann er 2013 beeindruckende fünf Rennen.
Doch dann war alles vorbei: der Vertrag mit Mercedes ausgelaufen, die Chancen auf ein Stammcockpit bei einem anderen Team in der Formel 1 mangels Geld bei null. Sam war 27 Jahre: "Ich dachte, alles ist vorbei und ich habe überlegt, als Personal Trainer zu arbeiten." In einem Fitness-Studio.
Doch dann bietet ihm der (damalige) Virgin-Racing Boss Alex Tai ein Cockpit für die neue ABB FIA Formel E Meisterschaft an. Er sagt zu, "obwohl niemand wusste, wie sich diese Fomel E entwickeln wird."
Beim London E-Prix im Jahr 2015 feiert er den wohl schönsten Sieg seiner Motorsport-Karriere: „Dein Heimrennen vor deinen Fans zu gewinnen, zählt zu den denkwürdigsten Erlebnissen, die man als Rennfahrer haben kann."
Es war der erste Sieg von nun zehn, Sam ist in der Formel E ein absoluter Dauerbrenner. Manche sagen: Der Beste unter denen, die noch keinen Titel gewonnen haben.
Der Beweis: Als einziger Pilot stand er bislang in jeder Saison mindestens einmal ganz oben auf dem Podest.
Seit heuer tut er das für Jaguar Racing: Nachdem er im letzten Jahr mit Platz 9 die schlechteste (!) Endplatzierung seiner FE-Karriere hatte, "war es an der Zeit, was neues zu probieren." Und Bird und Jaguar – das passt einfach.
Gleich am ersten Weekend in Saudi Arabien hat er gewonnen, und nun wieder. Diesmal kommt er nach London als Leader.
Die Karriere als Personal Trainer muss noch warten. Aber er ist sich selbst sein bester Coach:
Sam arbeitet an jedem Detail, um sich körperlich und mental zu verbessern. Er trainiert mit Rugby-Stars, läuft Halb-Marathon. Vor dieser Saison stellte auf vegane Ernährung um. Er trainierte noch härter und nahm sechs Kilo ab.
Als Rennfahrer hat er längst den Ruf, vielseitig zu sein. Mit Ferrari gewann er GT-Rennen, und er fuhr mehrmals in Le Mans. Seine Frau ist das Model Holly Christie.
Apropos Speed: In New York war auch Speed-Queen Lindsey Vonn, Botschafterin von Landrover und Jaguar, zur Sitzprobe in der Box, Demo-Run im Jaguar I-Pace inklusive. Wie es scheint, hat es dem Team Glück gebracht. jetzt muss man ihr noch etwas nachmachen: und den WM-Titel holen.