RÄIKKÖNEN-NACHFOLGER CHARLES LECLERC
Ferraris neuer Star im Interview
Charles, die Fans in Österreich sind begeistert von deiner ersten Formel-1-Saison..
Ja, wir sind auch überrascht, wie stark wir vor allem im Frühsommer in den Trainings waren und wie oft wir im Qualifying aufgestiegen sind. Übrigens: Der Red-Bull-Ring ist für mich, neben Monaco, meine Lieblingsstrecke im Kalender.
Was gefällt Dir am Kurs in Spielberg?
Ich habe schon darüber nachgedacht, ich könnte es nicht in einem Satz beschreiben. Ich fühle mich einfach wohl, wenn ich rausfahre auf die Strecke. Und ich habe viele gute Erinnerungen an gute Rennen von mir in Spielberg - so etwas hilft immer am meisten, damit einem ein Ort gefällt (schmunzelt).
Was bei Dir heuer aufgefallen ist: Nach zwei eher enttäuschenden Rennen am Anfang bist du regelrecht "explodiert" mit deiner Performance. Und wir alle fragen uns: Was ist mit Charles Leclerc zwischen diesen beiden Rennen passiert?
Ich habe einiges geändert. Nämlich meine Art zu fahren, ich habe den Ingenieuren andere Fragen gestellt und die Balance des Autos - auf ihren Rat hin - verändert. Das hat mir massiv geholfen.
Man sieht wie wichtig Erfahrung ist. Wenn ich richtig verstehe, war deine Erkenntnis, dass das Formel-1-fahren vom Formel-2-fahren rein von Art des Pilotierens weiter auseinander ist als gedacht und du deinen Stil umstellen musstest.
Exakt. Die Unterschiede sind massiv. Vieles muss man neu denken, wenn man im Formel 1 sitzt.
Wahrscheinlich die enorme Anzahl an Leuten, mit denen du zu tun hast. In der Formel 2 hat du einen Ingenieur - und das war es mehr oder weniger. In der Formel 1 musst du dich daran gewöhnen, dass du mit viel mehr Leuten und mit verschiedenen Charakteren zu tun hast.
Dazu kommt die technische Seite: Dein Auto hat viel mehr Power, alles arbeitet an unglaublich kleinen Details. Es ist eine Kombination an Dingen, die das alles ausmachen.
Warst Du geschockt, dass so viele Leute schon nach den ersten zwei enttäuschenden Rennen so schnell ein hartes Urteil über die gefällt haben? So nach der Devise: Er ist vielleicht ja gar nicht so gut, wie wir dachten.
Ich war nicht geschockt. Ich verstand ihre Seite und ihre Ansichten. Aber zum Glück wurde es gleich besser, bevor ich mir darüber zu viele Gedanken machen konnte. Ab dem dritten Rennen lief es gut.
Ich fühle diesen Druck eigentlich gar nicht so. Kaum ist das Rennen vorbei, bist du ja schon wieder mit dem nächsten beschäftigt - da bleibt nicht viel Zeit dazwischen, schon gar nicht wie es im Juni und Juli mit diesen vielen Back-to-Back-Rennen der Fall war. Ich fokussiere mich auf meinen Job im Auto selbst.
Du wurdest sehr früh als großes Talent angesehen - und konntest Dir, so vermute ich, quasi aussuchen, in welchen Nachwuchsprogramm Du gehst. Was gab den Ausschlag für Ferrari?
Maurizio Arrivabene kam nach meiner Formel-3-Saison, und zeigte sich interessiert. Sie zeigten mir, dass Ferrari mehr ist als nur eine Akademie für junge Fahrer. Sie halfen mir bei allen Problemen und Aufgaben. Wir reden hier davon, physisch und auch mental bereit zu sein für Rennen. Ferrari hat einen beeindruckenden Simulator, sie haben ein erfolgreiches Formel-1-Team und zudem engen Kontakt zu anderen Rennställen in der Formel 1. Und es ist natürlich die größte Marke in der Formel 1.
Hattest du als Kind ein Role-Model, ein Vorbild?
Mein Role-Model war da gar nicht mehr am Leben - es war Ayrton Senna, der ja schon vor meiner Geburt gestorben ist. Aber mein Vater war ein großer Fan von ihm und er hat mir seine Passion für diesen Fahrer vererbt. Ich habe viele Filme über Senna gesehen, viele Bücher gelesen, viele Geschichten gehört. Er war eine faszinierende Persönlichkeit.
Wie fühlt es sich für dich bei Sauber an? Es ist ein sehr spezielles Team, wie ich denke. Das einzige, das in der Schweiz zuhause ist. Ein Team, mit viel Tradition.
Sie arbeiten sehr gut mit und an mir. Ich habe das Gefühl, dass wir beide glücklich waren, zusammen zu kommen. Für sie war ich eine gute Wahl - und sie waren für mich ideal. Mit der Formel 1 ist ein Traum wahr geworden. Sie haben mich gut in diese neue, aufregende, fremde Welt eingeführt. Die Ingenieure sind exzellent und haben mir sehr geholfen. Gerade als es darum ging, mich in die richtige Richtung zu entwickeln - wir haben ja schon über meine Stil-Änderung am Anfang der Saison gesprochen. Sie geben mir immer eine gute Referenz.
Wir kennen deinen Werdegang - und auch deine Tragödien: Dein großer Förderer Jules Bianchi, ein enger Freund der Familie und dein Mentor, ist tödllich verunglückt. Und im Vorjahr ist dein Vater gestorben. Wie kann ein junger Mensch solche Verluste verkraften?
Ich hab sehr früh, eigentlich schon im Kart, viel mit Mentaltraining gearbeitet. Aber natürlich ist der Verlust eines Menschen, der dir nahesteht, eine Dimension und eine Situation, auf die dich nichts auf der Welt vorbereiten kann. Aber Ende hilft es nur, dich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Mach das weiter, was du liebst, und mach es gut. Das ist die Art von Einstellung, die mein Vater und Jules verdienen, nämlich das ich auch ihren Traum lebe. Ohne die beiden wäre ich heute nicht hier und ich schätze das sehr. Umso mehr push ich.
War es der Traum deines Vaters, Dich in der Formel 1 zu sehen?
Definitiv. In der Formel 1 und am allerbesten bei Ferrari. Er hat es zwar nicht mehr gesehen, aber als er starb, wusste er bereits, dass ich es schaffen werde. Aber ich bin ziemlich sicher, er beobachtet mich von wo und ist an meiner Seite.
Eine sehr persönliche Frage: Was machen solche Verluste in so jungen Jahren mit einem Menschen?
Ich denke, man reift sehr schnell. Junge Menschen gehen einfach zu ihren Vätern und die lösen Probleme. Ich muss nun viele Dinge selbst lösen - und das hilft auch, als Person zu wachsen, und auch als Fahrer. Diese Tragödien haben mich stärker gemacht, und reifer. Keine Frage.
Du postest oft Bilder aus deiner Kindheit, es dürfte eine sehr schöne Zeit gewesen sein.
Oh, ja. Definitiv! Die Kartzeit mit meinem Vater war eine großartige Zeit, das ganze Umfeld war schön, wir waren sehr erfolgreich.
Es ist nur so ein Gefühl beim Betrachten der Bilder und natürlich eine Ferndiagnose. Aber dein Vater wirkt sehr entspannt - und macht nicht den Eindruck des überehrgeizigen Kart-Vaters, der seinen Buben unter Druck setzt. Es gibt ja auch genügend solcher Beispiele.
So ein Typ war er definitiv nicht. Er machte mir nie Druck - aber er war sehr ehrlich zu mir. Wenn ich schlecht war, sagte er es mir auch. Aber es hatte nie Einfluss auf unsere Vater-Sohn-Beziehung, wie gut ich davor im Rennen war. Aber er war extrem glücklich, wenn wir Siege feierten.
Du kommst aus einem sehr speziellen Ort für einen Rennfahrer: aus Monaco. Wie ist es, hier sein echtes Heimrennen zu haben?
Das erste Mal war ich hier in der Formel 2, heuer in der Formel 1. Wir hatten bislang meist Pech, aber ich mag den Track. Ich bin sowieso ein Fan von Straßenkursen.
Wenn man in Monaco aufwächst, wo viele Piloten leben: Trifft man die Stars da schon in seiner Kindheit?
Nein, nicht wirklich. Mir ist keiner begegnet.
Weil du von den Enttäuschungen beim Monaco-Rennen gesprochen hast. Mir fällt auf: du bist einer der Fahrer, die sich nach Niederlagen sehr schnell reseten können.
Ich denke, die mentale Seite war sogar viele Jahre eher eine Schwäche von mir. Aber ich hab ja erwähnt, ich hab sehr früh mit Mentaltraining begonnen - und früh Resultate gesehen und das wiederum hat mich motiviert, weiter daran zu arbeiten. Und heute würde ich sagen: jetzt ist das ist eine meiner Stärken. Du brauchst einen starken und klaren Kopf - nämlich gerade wenn es nicht läuft.
Du bist alles gefahren: Formel 3, GP 3, Formel 2, Formel 1. Andere habe das abgekürzt, wie etwa Verstappen.
Ich finde es gut, dass wir es so bedächtig gemacht haben. Man reift mit jeder Serie, mit jedem Jahr.
Dein Manager ist Nicolas Todt.
Als erstes: ohne ihn wäre ich nicht hier. Ende 2010 ging uns das Geld für den Motorsport aus und Nicolas hat an mich geglaubt und meine Karriere finanziert. Ohne ihn hätte ich aufgehört. Er trifft viele richtige Entscheidungen und nimmt mir sehr viel Arbeit ab. Ich kann ihm vertrauen.