INTENSIVTEST: NISSAN PULSAR 1,6 DIG-T
Wie fährt sich der Brave mit 190 PS?
Sieht ja wie ein ganz normaler Schrägheck-Japaner aus. Ist da noch eine Überraschung versteckt oder kann ich wieder vor den Fernseher?
Warte noch. Wir haben hier einen Turbo-Benziner mit 190 PS unter der Haube – das könnte dich interessieren, wie ich dich kenne ...
190 PS? Das sieht man dem Pulsar wirklich nicht an!
Stimmt. Die 18-Zoll-Felgen und ein ganz dezent angedeuteter Diffusor im Carbon-Fake sind die einzigen Hinweise. Innen schaut’s übrigens nicht anders aus: Nirgendwo die üblichen sportlichen Versatzstücke.
Ja wie jetzt: Will das Auto ein GTI sein oder nicht?
Schwer zu sagen, worauf Nissan abzielt. Von der Performance her könnte das Auto am unteren Rand der GTI-Liga mitspielen, aber weder vom Look noch von der Abstimmung zieht Nissan die sportliche Idee konsequent durch.
Fragen wir anders: Wie würde sich der Pulsar gegen einen Golf GTI schlagen?
Klare Antwort: Schlecht. Der aktuelle Golf kommt ja mit einem Zweiliter-Motor und 220 PS. Dagegen hat der Nissan mit 190 PS aus einem 1600er-Turbo keine Chance. Obendrein ist das Lenkgefühl zu wenig direkt, auch das Fahrwerk baut zu wenig mechanischen Grip auf. Nicht zuletzt hapert’s auch im Detail: Der Nissan hat keine Sportsitze, bietet viel zu wenig Seitenhalt.
Also eine Themenverfehlung?
Nicht unbedingt. Der Nissan hat als praktische Limousine mit einer Extraportion Power schon seine Berechtigung. Und praktisch ist der Nissan allemal: Ich kenne keine andere kompakte Schräghecklimousine, die dermaßen viel Platz bietet. Vor allem die Beinfreiheit in der zweiten Reihe ist gewaltig.
Ein Power-Cruiser sozusagen ...
In gewissen Sinne. Allerdings fehlt’s dann beim Cruisen wieder an einer Automatik – oder einem DSG –, und das Fahrwerk ist eindeutig zu hart geraten. Da bin ich wieder bei den GTI, aber ohne deren Spritzigkeit und Giftigkeit. Dafür ist die Geräuschdämmung hervorragend gelungen. Werkt der Motor im Leerlauf, dann muss man auf die Drehzahlnadel schauen, um zu erkennen, dass er schon gestartet wurde. Auch überland ist das Auto wirklich sehr gut gedämmt.
Noch einmal zurück zur Power: Macht der Pulsar jetzt Spaß oder nicht?
Die Antwort ist komplex. Als GTI macht er nur bedingt Spaß, aus schon genannten Gründen. Je flotter man den Pulsar fährt, desto weniger harmonisch wird er – dann ruckelt es bei den Gangwechseln und man fällt nach jedem Schalten in ein kleines Turboloch. So macht’s keine Freude. Fährt man den Pulsar hingegen entspannt, dann zeigt er einen völlig veränderten Charakter. Schaltet man bei niedriger Drehzahl, dann greifen die Gänge gut ineinander, alles läuft harmonisch ab und der Motor zeigt galante Manieren: Erstaunlich, wie sauber er die Drehzahl schon knapp über der Leerlauf pflückt und völlig ruckfrei hochbeschleunigt. Diese Harmonie und Akuratesse als – wie hast du es genannt: Powercruiser? – machen dann schon Laune und Fahrfreude.
Für eine Alltags-Limousine wird der Turbo aber brav schlucken ...
Ein reines Vorurteil aus alten Zeiten. Klar, mit einem Diesel kann er nicht konkurrieren, aber bei 7,8 Liter in unserem Praxistest über 1500 Kilometer kann man sich nicht aufregen. Das ist ein hervorragender Wert, nicht nur für diese Leistungsklasse.
Weil wir davon sprechen: Wie viel kostet der Power-Pulsar?
Unser Testauto kostet mit der Tekna-Ausstattung 29.450 Euro. Dazu muss ich zwei Anmerkungen beifügen: Erstens startet der Pulsar schon bei 18.299 Euro (für den 115-PS-Turbobenziner) und zweitens ist in dem Preis schon eine Topausstattung mit unendlich vielen Goodies enthalten. Zum Beispiel ein Navi, eine Lederpolsterung, der Around-View-Monitor für eine Ansicht des Autos und möglicher Hindernisse aus der Vogelperspektive, LED-Scheinwerfer, 18-Zoll-Felgen, der intelligente Schlüssel, einige elektronische Assistenten und vieles mehr. Weil du zuerst nach dem Golf gefragt hast: Der GTI kostet roh fast 5000 Euro mehr, aber auch eine vergleichbare Ausstattung gebracht sind es gut 13.000 Euro. So viel dazu.
Also viel Auto fürs Geld. Merkt man das Knausern?
Klar, die Materialqualität kennt einen Unterschied. Die Kunststoffe am Armaturenbrett sind hart, die Zierleiste im nicht besonders ambitioniert gemachten Carbon-Look-Alike rührt auch nicht am Herzen. Bei Kofferraumabdeckung und -auskleidung dominieren ebenfalls schlichte Lösungen. So ist das halt: Man kriegt nichts geschenkt. Wer sparen will, muss mit ein paar Einschränkungen leben.