INTENSIVTEST: HYUNDAI TUCSON N-LINE
Achten Sie auf die Linie!
Nein, der Eindruck täuscht nicht. Der Tucson gehört im beliebtesten Segment des Landes – jedes dritte neue Auto in Österreich ist ein SUV – beständig zu den beliebtesten Modellen. Das war auch beim Vorgänger iX35 schon so, aber während damals noch der Preis eine zentrale Rolle spielte, begegnet man der Konkurrenz inzwischen technisch, optisch und finanziell auf Augenhöhe.
Jetzt stärkt das beliebte Kompakt-SUV seine Position mit der neuen N-Line. Wofür steht das N bei Hyundai?
Für Namyang und Nürburgring. Im riesigen koreanischen Testzentrum Namyang werden die Sportmodelle des inzwischen fünftgrößten Autoherstellers geboren. Ihren speziellen Charakter entwickeln sie dann in den 73 Kurven der knapp 21 Kilometer langen Nordschleife, dem Heiligtum aller Rennsportfans. Dort unterhält Hyundai seit bald zehn Jahren ein eigenes Technikcenter für die sportliche Abstimmungsarbeit.
Hyundai ist speziell im sportlichen Bereich sehr deutsch geworden, oder?
Die Ingenieure vom Nürburgring sind quasi die Außendienstler des größeren Hyundai-Technikzentrums in Rüsselsheim. Und vor allem in den Sportabteilungen spricht man Deutsch, mit Albert Biermann und Thomas Schemera sitzen dort frühere Topmanager von BMW M am Chefsessel.
Dementsprechend erinnert auch die Hyundai-Nomenklatur mit N und N-Line an die deutschen Premiummarken. Wie schaut das Konzept im Detail aus?
Bei Audi gibt es S und S-Line, bei BMW M und M-Paket, bei Mercedes AMG und AMG-Line. Hyundai folgt dem gleichen Prinzip: Das N kennzeichnet die sportlichen Aushängeschilder, die N-Line orientiert sich als sportliche Ausstattungsvariante vor allem optisch an den Sportmodellen.
Mit i30 N und i30 Fastback N hat Hyundai zwei Serien-Topmodelle mit jeweils 275 PS und vor allem sehr guter Fahrdynamik. Die Steilheckvariante i30 N nimmt bei den Rundstreckenrennen der TCR/WTCR-Serie teil. In der Rallye-WM mischt die Performance-Truppe von Hyundai mit dem i20 WRC ganz vorne mit.
Die N-Line trägt diesen sportlichen Spirit in die zivileren Serienmodelle und ist derzeit für i30, i30 Fastback und Tucson erhältlich, mit i10 und i20 folgen bald weitere N-Line-Modelle.
Für Fans von sportiven Autos definitiv. Es ist das gleiche Prinzip wie bei den deutschen Premiummarken: Da ist es für die Sportler unter uns längst selbstverständlich, auf die Linie zu achten, also bei Audi im Zweifel einen S-Line zu nehmen, bei BMW ein M-Packet und so weiter. Selbst Porsche hat ja mit GTS inzwischen eine sportliche Linie (die allerdings auch stärker in die Technik eingreift), und übrigens ist das Styling-Konzept eines Macan GTS dem des Tucson N-Line nicht ganz unähnlich, googeln Sie die beiden Modelle zum Beispiel einmal in Rot.
Was bekommt man mit der N-Line im Tucson konkret?
Einen neuen Auftritt. Die Front unterscheidet sich vor allem durch den eigenständigen Kühlergrill – schwarzes Wabengitter statt silberner Lamellen – ganz deutlich. Schwarze Einfassungen für die Lichter machen den Gesichtsausdruck ebenfalls ernster. Der untere Bereich ist durch pfeilförmige Nebelscheinwerfer und einen wuchtigeren vertikalen Lufteinlass markanter.
Die Seitenansicht wandelt sich durch die schwarzen Felgen mit schön eingedrehten Speichen und 245/45 R19-Format, was für ein Kompakt-SUV schon eine stolze Schuhgröße ist. Ins Auge stechen dem Sportler seitlich auch die schwarzen Außenspiegelgehäuse und der schwarze Dachspolier. Die – nur bei der Topausstattung integrierte – silbergraue Metallapplikation im Seitenschweller bleibt in der N-Line unverändert, zur Lackierung des Testwagens passt das ideal, bei den anderen Lackierungen hätte man sie für unseren Geschmack auch schwarz machen können.
Am Heck unterscheidet sich neben dem Dachspoiler – der bei N-Line immer in Schwarz statt in Wagenfarbe ist – auch der untere Bereich der Stoßfänger, der einen Diffusor andeutet und markante Auspuffendrohre integriert. Die treten wie bei den normalen Modellen als sportliches Paar auf, sind aber hier oval und haben einen ordentlichen Durchmesser. Während selbst bei prominenten deutschen Marken öfter mal das dünne Original-Rohr durch den Aufsatz durchscheint, passiert Hyundai dieser Fauxpas nicht.
Verändert die N-Line auch den Innenraum?
Ja, sogar relativ deutlich. Vor allem die sportlichen Sitze mit größeren Seitenwangen fallen beim Blick in das Auto sofort auf. Sie sind in der Mitte mit gelochtem Veloursleder bezogen, was Sportler wegen der rutschfesten Oberfläche immer schätzen. Auf den Seiten kommt vernünftigerweise resistentes Glattleder zum Einsatz. Die Rückbank ist analog dazu gestaltet. In das schwarze Leder wurde vorne und hinten je zweimal das N-Logo geprägt, noch auffälliger sind die roten Stoff-Zierleisten und die roten Ziernähte. Letztere schmücken auch das hochwertige Sport-Lederlenkrad und – besonders wirkungsvoll – in einer horizontalen Linie das gesamte Armaturenbrett. Das kaschiert, dass der untere Teil des Armaturenbretts mit nicht so hochwertigem Kunststoff wie oben gefertigt ist. Eine Sparmaßnahme, die allerdings auch bei vielen anderen Marken, selbst aus dem süddeutschen Raum, zu entdecken ist. Richtig schön gemacht ist in der N-Line der Automatik-Wählhebel für das Doppelkupplungsgetriebe, statt nackter Technik hat er einen Old-School-Ledermantel mit roter Ziernaht, der Knauf ist mit einem in Silber eingefassten N-Logo geschmückt, mit gelochtem Glattleder bezogen und durch eine rote Leiste aufgepeppt. Schließlich sind in der N-Line auch noch Türgriffe aus schwarzem statt silbernem Metall und Sportpedale im Aluminiumlook verbaut. Was vielleicht nicht auf den ersten Blick auffällt, aber für das Gesamtambiente essentiell ist: Der Dachhimmel ist in der N-Line schwarz, das rundet den sportiven Innenlook nach oben ab.
Nicht durch Eingriffe in die Abstimmung, aber es gibt eine Antriebsvariante, die im Tucson exklusiv der N-Line vorbehalten ist. Den starken Turbo-Benziner mit 177 PS gibt es in der preisgünstigeren – und leichteren! – Variante, also ohne Allradantrieb und mit Schaltgetriebe, nur als N-Line. Für die Einstiegsmotore gibt es N-Line nicht, man wählt zwischen Dieselmotoren mit 136 und 185 PS sowie dem Benziner mit 185 PS.
Hyundai spricht von N-Line und N-Line Plus. Wo ist der Unterschied?
In sportlicher Hinsicht gibt es keinen Unterschied, alle weiter oben beschriebenen Features aus der N-Line sind in beiden Varianten exakt gleich. Abweichend sind lediglich die restlichen Features, denn während N-Line auf dem mittleren Ausstattungs-Level „3 Plus“ basiert ( Hyundai hat hier schon länger eine Art Schulnotensystem eingeführt), baut N-Line Plus auf die Topausstattung „Level 6“ auf.
Die beiden Varianten sind relativ schnell charakterisiert: Das sehr oft bestellte Level 3 Plus (bzw. N-Line) beinhaltet viele schöne Dinge bis hin zu Voll-LED-Scheinwerfern und Navigation auf einem großzügigen 8-Zoll-Touchscreen. Es bleiben de facto keine Wünsche offen. Im Level 6 (bzw. N-Line Plus) ist dann alles enthalten, was die Tucson-Ausstattungsliste hergibt. Wenn wir sagen alles, meinen wir in dem Fall wirklich alles, auch wenn das für Kunden deutscher Premiummarken geradezu unvorstellbar klingt. Das einzige Hakerl, das der von deutschen Marken geübte Ankreuzer hier noch setzten kann, ist der Metalliclack, wobei das aufpreisfreie Rot eigentlich sehr schön und ein echter Tipp ist. Ob sich der Aufstieg auf Level 6 lohnt? Wenn Sie sich verwöhnen wollen, ja. Hyundai legt sich jedenfalls ins Zeug und liefert wirklich viele Feinheiten mit Premium-Attitüde mit. Das Soundsystem mit acht Lautsprechern kommt vom amerikanischen Spezialisten Krell, die 360-Grad-Übersichtskamera macht Einparken zu einer vollkommen neuen Sache, der Fernlichtassistent übernimmt das lästige Auf-und Abblenden bei Nachtfahren, das Panoramaglasdach verändert das Ambiente speziell für die Fondpassagiere wesentlich – und das wären nur die wichtigsten Features. Allerdings liegen zwischen Level 3 Plus und Level 6 auch rund 5.000 Euro – eine Stange Geld, aber verglichen mit der Aufpreis-Politik anderer Marken wieder günstig.
Wie hoch ist im Tucson der Aufpreis für die N-Line?
Die N-Line kostet zwischen 2.000 und 2.300 Euro mehr als die vergleichbaren normalen Varianten – für das umfangreiche Innen- und Außenstyling ist das durchaus wohlfeil.
Im Test war der Tucson N-Line zudem mit einer exklusiven Antriebsvariante unterwegs – welcher genau und wie hat sie sich geschlagen?
Im Testwagen wurde der stärksten Benzinmotor der Tucson-Baureihe, ein 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbo mit 177 PS, mit Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe kombiniert.
Das 4WD-System, übrigens in Zusammenarbeit mit Magna in Österreich entwickelt, verfügt über eine hydraulische Lamellenkupplung, mit der die Hinterräder selektiv zugeschaltet werden. Auf trockenem Asphalt wird der Unterschied zum Frontantrieb eher selten bemerkbar, bei Nässe ist der Allradler dann natürlich schon noch souveräner. Für alle, die sich mit dem Auto auch mal in tieferen Schnee oder Gatsch begeben, gibt es einen Sperrknopf, der die Kraftverteilung bei 50:50 blockt.
Der Benziner ist im Alltag kultiviert und souverän, auch weil die Zusammenarbeit mit dem Doppelkupplungsgetriebe sehr gut klappt. Man gleitet angenehm dahin, kann zulegen, ohne dass das Auto angestrengt wirkt – angenehm. Wenn man die Fahrleistungen ins Sportliche treiben will, muss man das Aggregat ausdrehen, dabei macht es willig mit, die Akustik wird präsenter, aber nicht zu aufdringlich. Beim Verbrauch muss der exklusiven Antriebsvariante schon Tribut gezollt werden, mit Werten zwischen neun und zehn Litern ist bei gemischter Fahrweise zu kalkulieren. Mit dem 184 PS starken Top-Diesel werden es rund zwei Liter weniger sein, allerdings kostet der auch 3.300 Euro mehr, das muss man erst einmal reinfahren.
Das Fahrwerk selbst, es bleibt bis auf die 19-Zoll-Bereifung auch im N-Line unverändert, ruckelt mitunter etwas über kleinere Unebenheiten, insgesamt ist es ausgewogen-komfortorientiert abgestimmt und auf sicheres Untersteuern im Grenzbereich ausgelegt. Die Lenkung ist recht leichtgängig und dennoch exakt.
Dass Hyundai beim Innenraum-Design eher konservativ ist, weiß man, allerdings gehören die Koreaner beim Bedienkomfort inzwischen zu den besten Marken. Das Platzangebot fällt im Tucson mit rund 500 bis 1.500 Litern Ladevolumen ziemlich üppig aus.
Welches Test-Fazit lässt sich für den Tucson N-Line ziehen?
Wie bei Audi oder BMW heißt es nun auch bei Hyundai: Achten Sie auf die Linie! Sportler nehmen im Zweifel immer einen S-Line, ein M-Packet – und bei Hyundai eben die N-Line. Für rund 2.000 Euro bekommt man neben einem eigenständigen, dynamischen Auftritt auch einen edleren Innenraum – da überlegt der sportliche Käufer nicht lange. Dass man inklusive 177 PS und sehr guter Ausstattung schon ab rund 35.000 Euro N-Line fahren kann, ist wohlfeil. Dass der Testwagen auf rund 48.000 Euro kommt, ist natürlich eine Ansage, für eine 177-PS-Allrad-Automatik-Kombination mit Ausstattung auf Premium-Niveau ist es allerdings kein schlechtes Angebot.