INTENSIV-TEST: FORD TRANSIT CUSTOM PHEV
Nach der Arbeit Batterien aufladen
Bei den Nutzfahrzeugen ist Ford traditionell sehr stark. Warum?
Es liegt an der Erfahrung. Der erste Transit kam 1953 auf den Markt, damals noch unter dem Namen FK 1000 für „Ford Köln” und „1000" Kilo Nutzlast. Seither wurde er über sieben Modellgenerationen zu einer riesigen Nutzfahrzeugfamilie ausgebaut, die vom kompakten Stadtlieferwagen bis zum Fünftonner reicht und auch alles dazwischen abdeckt. Ein klassisches Gewerbe, zu dem keine Transit-Variante passt, ist nicht bekannt.
Mit der aktuellen Transit-Generation fährt Ford besonders gut. Seit fünf Jahren ist man die Nutzfahrzeugmarke Nummer Eins in den 20 größten Märkten Europas. Auch bei uns ist der Transit seit Jahrzehnten ein bevorzugtes Arbeitsgerät: „Gut jedes 5. Nutzfahrzeug auf Österreichs Straßen ist ein Ford“ freut sich Generaldirektor Danijel Dzihic.
Der getestete Transit Custom ist ein sogenannter Kleintransporter?
Lustige Bezeichnung, aber so nennt man die Kastenwagen mit zulässigem Gesamtgewicht bis 3,5 Tonnen, die mit der Führerschein-Klasse B gefahren werden dürfen, tatsächlich. Wirklich „klein“ ist der Transit Custom Plug-in-Hybrid, den es derzeit nur in der Variante mit „kurzem“ Radstand (L1, 2.933 mm) und „flachem“ Dach (H1) gibt, aber keineswegs: Weil die Batterien im Fahrzeugboden des Kastenwagens verstaut sind, erwirbt man einen großen mobilen Lagerraum mit 6,0 Kubikmetern Volumen. Unverändert wie der Stauraum bleibt in der PHEV-Version auch die Zuladung von 1.100 Kilo.
Die Ladekantenhöhe ist sehr niedrig, und neben den weit nach Außen aufschwingenden Hecktüren gibt es eine breite seitliche Ladetür. Durch die Trennwand mit Durchlademöglichkeit kann auch der Stauraum unter dem Sitz genutzt werden, somit lassen sich Rohre und Leitern bis drei Meter Länge unterbringen.
Übrigens, alternativ zum Kastenwagen gibt es PHEV auch in der Kombi-Variante mir Bestuhlung (ebenfalls als L1 H1).
Viel flotter eigentlich. Ford hat beim Transit-Facelift den Kühlergrill und die Frontschürze dynamischer gemacht, zudem haben die Scheinwerfern jetzt eine richtig coole LED-Lichtsignatur. Dass ein Nutzfahrzeug Blickfang ist (zumindest von vorne), das gibt es auch nicht oft.
Übrigens: Das poppige Metallic-Orange des Testwagens kostet zwar 760 Euro extra – zahlt sich als Werbeausgabe aber vermutlich aus.
Wichtigste Transit-Neuerung ist der Plug-in-Hybridantrieb. Wie ist das System aufgebaut?
Überraschend, denn technisch gesehen treibt im neuen Transit PHEV (englisch für plug-in hybrid electric vehicle) immer der Elektromotor mit 126 PS die Vorderachse an. Der ebenfalls verbaute 1,0-Liter-Benzinmotor fungiert also formal als Range Extender und versorgt den E-Motor mit Kraft, wenn die Akkus im Fahrzeugboden leer sind.
Die Lithium-Ionen- Batterie mit einer Kapazität von 13,6 kWh lässt sich an einer Haushaltssteckdose (230 Volt Spannung, zehn Ampere Stromstärke) in knapp viereinhalb Stunden vollständig aufgeladen, mit dem Typ-2-Ladestecker für Wechselstrom (AC) sind es knapp drei Stunden. Als elektrische Reichweite wurden im relativ realitätsnahen WLTP-Zyklus etwas über 50 Kilometer ermittelt, und daher auch ein quasi „halbierter“ Normverbrauch von 2,7 Litern pro 100 Kilometer. Und der emissionsfreie Nahverkehr bedeutet keine Einschränkungen in der Gesamtreichweite, beim vollem Benzintank schafft der Transit bis zu 500 Kilometer.
Warum sollte ich Hybrid und nicht den klassischen Diesel-Transporter wählen?
Dass künftig alle Gewerbetreibenden zu Elektrikern werden, erscheint logisch – denn der ökologische Hebel für die Großstädte ist enorm: In London beispielsweise werden an einem normalen Wochentag rund 280.000 Fahrten mit Nutzfahrzeugen gemacht, das entspricht 13 Millionen gefahrenen Kilometer. Allein in der Londoner Innenstadt sind in Spitzenzeiten mehr als 7.000 Transporter pro Stunde unterwegs.
Beschränkungen sind noch nicht in Kraft, aber das kann sich ändern. Den Imagevorteil, ein lokal emissionsfreies Unternehmen zu sein, und die Gewissheit, auch künftig freie (Ein-)Fahrt zu haben, gibt es mit elektrifizierten Nutzfahrzeugen schon jetzt.
Schön und gut – aber wie glaubt mir der Gesetzgeber, dass ich nicht schummle und nur mit Benzin fahre?
Ford führt gerade ein sogenanntes Geofencing-Modul im Transit Custom Plug-in-Hybrid ein, die Fahrzeuge schalten dann zum Beispiel in städtischen Umweltzonen automatisch auf emissionsfreien Elektroantrieb um. In bereits ausgelieferten PHEV-Modellen kann Geofencing später auch nachgerüstet werden.
Es gibt zwei Varianten, die neuen Technik zu nutzen:
Erstens den automatischen Modus, in dem das System die jeweils beste Antriebsform wählt und den Benzinmotor im Hintergrund selbstständig zu- und wieder abschaltet. In diesem Fall hat die Batterie länger Saft als im reinen E-Modus, zumal sie durch zurückgewonnene Bremsenergie ja auch aufgeladen wird. Im Ergebnis sind niedrige Benzinverbräuche um die dreieinhalb Liter möglich, wenn man in der Früh mit voller Batterie gestartet ist.
Zweite Variante ist der rein elektrische und lokal damit emissionsfreie EV-Modus, der im Test für gut 40 Kilometer gereicht hat. Viele Gewerbetreibende fahren pro Tag nicht mehr, können sich also vollelektrisch durch den Arbeitsalltag bewegen und haben null Benzinverbrauch.
Beide beschriebene Sparformen setzten natürlich ein regelmäßiges, in der Regel tägliches, Aufladen der Batterien nach der Arbeit voraus. Neben den Unternehmen werden künftig also auch die Kommunen und die Wohn-Bauträger ihren Beitrag – in Form von Steckdosen – leisten müssen.
Und wenn sich das Aufladen der Batterie einmal nicht ausgeht? Dann ist der Transit PHEV natürlich nicht so sparsam, aber immer noch sparsamer als ein normaler Benziner, gerade in der Stadt. Verbrauchswerte zwischen sechs und sieben Liter kommen in der Regel raus.
Neben dem elektrischen Modus und dem automatischen Betrieb kann der Transit PHEV auch den aktuellen Batterieladestand für spätere Fahrten aufsparen oder den Akku sogar beim Fahren wieder aufladen – das ist nicht effizient, könnte aber bei entsprechenden urbanen Umweltzonen relevant werden.
Ford selbst hat mit befreundeten Unternehmen, darunter auch viele, die nicht ständig nachladen konnten, einen Feldversuch mit Vorserienfahrzeugen gemacht, gesamt 240.000 Kilometer – und 75 Prozent der Strecken in Londons Innenstadt absolvierten die 20 PHEV-Versuchsfahrzeuge im im emissionsfreien Elektromodus. Man sieht: Die Technik ist ein Game Changer.
Der Transit PHEV hat mit 126 PS ja nicht sonderlich viel Leistung, aber er hat 355 Newtonmeter und das direkte Ansprechen des Elektroantriebs. Somit ist das Fahrgefühl speziell im elektrischen Modus flott und lustig, zudem natürlich geräuschlos und vibrationsfrei. Besser kann ein Transporter im Ballungsraum nicht unterwegs sein – und für diese Region er definitiv gedacht: Beim höherem Tempo hat er nicht mehr den Punch, um entschlossen zulegen zu können und bei 120 km/h ist dann Schluss.
Wenn der Benziner mitarbeitet, dreht er speziell bei Vollgas hoch und hält die Drehzahl, was akustisch nicht so angenehm ist – aber im Nahverkehr sehr selten vorkommt. Während voller Leistungsbedarf selten ist, bleibt der Vorteil der ruckfreien Automatik immer präsent, die manuelle Schaltarbeit aufgeben zu können, ist speziell in der Stadt ein Segen. Und dort ist der Transit auch insgesamt sehr gut unterwegs, weil er durch die enorm hohe Sitzposition (raufsteigen statt einsteigen…) und die weit nach Außen gerückte Fahrersitzposition eine super Übersicht bietet. Die leichtgängige Lenkung hilft beim Manövrieren ebenso. Der in diser Klasse fehlende Rückspiegel geht da mit der Zeit nicht mehr ab.
Nicht unwichtig: Wie lang gibt es Garantie auf die Batterie?
Ford gibt eine Garantie von acht Jahren oder 160.000 Kilometern auf die Batterie.
Im Transit können zunehmend mehr Annehmlichkeiten aus der PKW-Welt in den Arbeitsalltag eingebaut werden?
Kosten bleiben natürlich im Gewerbe vorrangig – aber es gibt nun eben auch Varianten, mit denen man sich Gutes tun kann: Im getesteten „Limited“ ist man nicht mehr so weit weg vom normalen PKW-Komfort. Klar, es sind weiter harte Kunststoffe verbaut, aber das Ambiente für die bis zu drei in einer Reihe sitzenden Personen ist durchaus freundlich und modern – neben den angenehmen Sitzbezügen, der bequemen Fahrer-Armlehne und der Klimaautomatik ist das vor allem dem Sync3-Multimediasystem mit 8-Zoll-Touchscreen geschuldet, das sich flink wie ein Handy bedienen lässt, über die intelliegente Sprachsteuerung auch während der Fahrt.
Gibt es neue Assistenzsysteme?
Ja, wer im Handwerk geschickter als beim Einparken ist, kann sich den Einpark-Assistenten zulegen, der selbst in Parklücken lenkt – ein bisschen Übung braucht dieser Vorgang aber schon auch.
Wie fällt das Fazit nach dem ersten Test aus?
Der Transit stellt die Weichen für die Zukunft: Mit dem neuen Plug-in-Hybridantrieb kommt er – ohne sich in der Reichweite einzuschränken – emissionsfrei durch den Nahverkehr. Nach der Arbeit sollte die Batterien regelmäßig aufgeladen werden können, wobei eine normale Steckdose schon genügt.
Dass Gewerbetreibenden künftig elektrisch durch die Städte fahren, ist eine logische Entwicklung. Bis es Beschränkungen gibt, hat man mit dem Transit Custom PHEV den Imagevorteil, ein lokal emissionsfreies Unternehmen zu sein, und die Gewissheit, auch künftig freie (Ein-)Fahrt zu haben.
DATEN & FAKTEN
FORD TRANSIT CUSTOM 1.0L ECOBOOST PHEV KASTENWAGEN L1 H1 LIMITED
(September 2020)Preis
46.460 Euro (netto)Antrieb
Elektromotor mit 92 kW/126 PS, 355 Nm, Range-Extender: 1.0-Liter-Dreizylinder-Benzinmotor. Batteriekapazität 13,6 kWhAbmessungen
Länge 4,97 / Breite 1,99 / Höhe 2,00 m. Radstand 2.93 m. Ladevolumen 6,0 m³.Gewicht
Zuladung 1130 kg.Fahrwerte
Höchstgeschwindigkeit 120 km/h. Normverbrauch (kombiniert) 3,1 l, CO2-Emissionen(kombiniert): 70 g/km**.