INTENSIVTEST: BMW 540i xDrive (2017)
Welche Rolle spielt der 5er?
Wie fast immer in der 45-jährigen Geschichte des 5ers ist BMW beim Design vorsichtig (einzige Ausnahme waren die Bangle-Jahre mit dem E60). Zu wichtig ist das Auto für das Wohl der Firma. Wir haben diese optische Vorsicht aber nie als Nachteil empfunden, sondern als Markenzeichen. Der 5er ist auch diesmal wieder ein schönes Auto ohne Hang zur Selbstdarstellung geworden.
Und wie sieht es Innen aus?
Die Materialqualität macht einen ordentlichen Schritt, das neue Cockpit ist sehr hochwertig. Die Platzverhältnisse bleiben vorne unverändert und damit großzügig. Auch im Fond keine sehr großen Änderungen, die neue Generation wirkt dort etwas luftiger, Erwachsene in Normalgröße reisen sehr bequem mit.
Was hat BMW in Sachen Multimedia getan?
Sich mehr zurückgehalten als Mercedes. Während die E-Klasse mit ihren Riesenbildschirmen den Captain Future gibt, ist der 5er in diesem Bereich zurückhaltender. Obwohl die Armaturen nun per Display dargestellt werden, deutet BMW die alte Tachouhr noch mit einer echten Einfassung an, auch die graphische Darstellung ist klassisch. Sieht gut aus. Der mittige Multimedia-Bildschirm ist weiterhin aufgesetzt statt integriert, wodurch das Armaturenbrett schlanker ausfällt. Gewachsen ist der Screen selbst und die neue Graphik ist viel moderner: Bis zu vier verschieden Bereiche können in Kacheln nebeneinander angezeigt werden. Und besonderer Applaus noch für den Parking Assistant Plus mit sensationeller Rundumsicht – wer da noch Probleme mit dem Einparken hat, sollte seinen Führerschein abgeben.
Die neue Doppel-Bedienung mit Controller und Touchscreen ist ein Riesenvorteil, weil man zum Beispiel bei der Navi-Ortseingabe mit den Fingern viel schneller ist, sonst aber oft den Dreh-Drück-Knopf nutzt. Zudem funktioniert das Head-up-Display perfekt. Auch wenn Gestensteuerung und Spracheingabe ähnlich wie bei den Konkurrenten nicht überzeugen – unterm Strich mögen wir die Bedienlogik von BMW in dieser Klasse weiterhin am liebsten. Die Münchner bleiben die Benchmark.
Wie fühlt sich der neue 5er als Fahrer an? Was er ein Fahrerauto wie der 3er oder ein hedonistischer Gleiter wie der 7er sein?
Grundsätzlich ist der neue 5er leichter geworden (wobei die vielen Sonderausstattungen diese Angaben immer relativieren), weil BMW mehr Alu und hochfeste Stähle einsetzt. Und er hat ein neu entwickeltes Fahrwerk mit technischer Verwandtschaft zum 7er. In den Test brachte der 5er zudem die dynamische Dämpfer-Kontrolle sowie 19-Zoll-Räder aus der Aufpreisliste mit sportiver Bereifung (245/40 R19 vorne und 275/35 R19 hinten) mit. In dieser Konstellation begeistert der 5er mit einer tollen Ausgewogenheit: Er bietet sehr hohen Federungskomfort, höchstens die E-Klasse und die Luxusliga um 7er und S-Klasse können das noch geschmeidiger. SUVs brauchen beim Komfort aber nicht mitreden – keine Chance. Auf der sportlichen Seite bietet der 5er erstaunliche Agilität durch seine präzise Lenkung und sein standfestes Fahrwerk. Die kurvenlüsterne Art des 3ers hat der 5er ebenso wenig wie die über-den-Dingen-schwebende Art des 7ers. Er steht genau in der Mitte, mit leichter Tendenz zum 7er.
Ist das nun eine Enttäuschung?
Für uns nicht, wir würden den 5er im Gegenteil als goldene Mitte bezeichnen. Wir wollten aus dem 5er diesmal sowieso überhaupt nicht mehr aussteigen, was natürlich auch am Motor lag…
Unter der Haube hatte der 5er einen klassischen Reihen-Sechszylinder-Benziner – bringt es dieser Luxus noch?
Was für eine Frage. Der seidige Klang und die geschmeidige Kraftentfaltung sind eine völlig andere Welt als jeder noch so starke Vierzylinder, auch ein V6 kommt komfortseitig nicht mit. Tolle Arbeit von BMW, vor allem weil man den Turbo praktisch nicht spürt. Dieselfahrer müssen sich dank der enormen technischen Entwicklung nicht mehr unterlegen fühlen, feinere Geister können aber über einen Vergleich trotzdem nur lächeln. Natürlich muss man sagen, dass man mit dem 540i um die zehn Liter Realverbrauch im großen Mix einzuplanen hat, also drei mehr als mit einem starken Diesel. Herrlich sind dafür auch die souveränen Leistungsreserven des 340-PS-Aggregats, wobei man sich wünschen würde, das Sechszylinder-Feeling auch schon unterhalb der teuren Topversion zu bekommen. Die Verschärfung der C02-Gesetzte haben die Sechszylinder leider zum Luxus gemacht.
In welchen Bereichen konnte der 5er nicht überzeugen?
Dass der 5er-Schlüssel fast so groß ist wie es vor zehn Jahren ein Handy war, empfinden wir als unpraktisch, weil die Hosen- und Jackentaschen nicht größer geworden sind. BMW wollte ein Display unterbringen, dass den Fahrzeug-Status anzeigt, aber das könnte man auch per App am Handy lösen. Und dass der 5er per Fernsteuerung in enge Parklücken gesteuert werden kann, ist ein Gag, den man in der Praxis kaum nutzen wird – zu kompliziert ist die Umsetzung. Hier zeigt sich vielmehr, wie weit wirklich autonomes Fahren dann doch noch weg ist.
Was wird am meisten in Erinnerung bleiben?
Eindeutig das BMW Night Vision mit Personenerkennung. Wenn das System bei Dunkelheit eine gefährliche Situation erkennt, warnt es Fußgänger und Radfahrer per Lichthupe eindringlich. Das hat uns zwar mehrere böse Reaktionen der Gewarnten eingebracht, zeigt aber, wie sorglos vor allem Füßgänger inzwischen über die Straße gehen, auch wenn kein Zebrastreifen in der Nähe ist.
Das Test-Fazit zum 540i?
Ein technisch und optisch sehr elegantes Auto ohne Hang zur Selbstdarstellung. Das perfekte Understatement.